Rechtsanwδltin
Ingeborg Muhler, Dipl.-Inform.
Mannheim

An die
Europäische Kommission

B-1049 Bruxelles

Belgien

12.1.2002
Nachrichtlich an:
Europäische Kommission, Vertretung in
• Belgien (Brüssel), • Dänemark (Kopenhagen), • Deutschland (Berlin), • Griechenland (Athen), • Spanien (Madrid), • Frankreich (Paris), • Irland (Dublin), • Italien (Rom), • Luxemburg (Luxemburg), • Niederlande (Den Haag), • Österreich (Wien), • Portugal (Lissabon), • Finnland (Helsinki), • Schweden (Stockholm), • Vereinigtes Königreich (London)

Die Unterzeichnerin

regt an und beantragt

1.)
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften erhebt Klage gegen die Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung des europäischen Rechts.

Die Verletzung des europäischen Rechts ist gegeben durch das österreichische EWR-Rechtsanwaltsgesetz 1992, insbesondere durch § 3 Absatz (1) Satz 2 dieses Gesetzes, wodurch gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen wird. Die angegriffene Vorschrift lautet: "Vor der erstmaligen Ausübung einer derzeitigen Tätigkeit in der Republik Österreich hat er ((der Anwalt)) die zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 6 Abs. 1) schriftlich zu verständigen". Die vollständige Gesetzesbezeichnung lautet: Österreichisches Bundesgesetz über die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs und die Niederlassung von Rechtsanwälten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Jahrgang 1993, ausgegeben am 14. Jänner 1993, S. 481.

Die oben genannte nationale Gesetzesbestimmung verstößt gegen die europäischen Bestimmungen, welche die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs in Europa garantieren:

2.)
Die Europäische Kommission informiert den Mitgliedstaat Österreich darüber, daß eine Verletzung des Europarechts gegeben ist und regt an, sämtliche anhängigen Verfahren, welche ihren Ursprung in dieser Verletzung des Europarechts haben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die europarechtliche Frage auszusetzen, um europarechtswidrige nationale Entscheidungen zu vermeiden. Die Umsetzung obliegt den nationalen Justizorganen. Insbesondere der sogenannte Einleitungsbeschluß des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 31.10.2001 - Az: D 261/99, DV 74/01 (Anlage 1) -, durch welchen im Übrigen die Unterzeichnende selbst verletzt ist, ebenso wie bereits der Eröffnungsbeschluß des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23.11.1999 - Az: D 261/99, wie er uns als Schreiben vom 29.12.1999 vorliegt (Anlage 2), verstoßen gegen Gemeinschaftsrecht und sind somit auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung der europarechtlichen Frage.
 
 

I. Rechtsschutzinteresse der Unterzeichnenden und zugrundeliegende Vorgänge:

1. Rechtsschutzinteresse der Unterzeichnenden

Die Unterzeichnende hat ein Rechtsschutzinteresse in vorliegender Sache.

Seit Ende 1999 wird sie von der Wiener Anwaltskammer unter Bezugnahme auf die genannte Vorschrift des österreichischen EWR-Rechtsanwaltsgesetzes versuchsweise hingehalten mit Jahresabschluß-Beschlüssen, die jeder Sach- und Rechtsgrundlage entbehren, wobei indessen die Anschreiben der Unterzeichnenden an die Anwaltskammer Wien unerledigt geblieben sind und die Unterzeichnende nicht einmal einer Eingangsbestätigung gewürdigt wurde. Unter dem Datum des 29.12.1999, eingegangen bei der Unterzeichnerin am 14.2.2000, verständigte der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien die Unterzeichnerin über die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens mit Beschluß vom 23.11.1999. Dies alles kumulierte am 31.10.2001 in einem sogenannten "Einleitungsbeschluß" des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, der erkennbar auf eine berufsrechtliche Bestrafung gegen die Unterzeichnerin abzielen soll. Die Beschlüsse verstoßen gegen Gemeinschaftsrecht und sind rechtswidrig. (Die eingehende europarechtliche Beurteilung folgt unter II, vgl. unten).

Ein Rechtsschutzinteresse der Unterzeichnenden ist somit gegeben. Unter der Voraussetzung, daß das Europäische Gemeinschaftsrecht versuchsweise so ausgelegt würde, daß die Unterzeichnerin selbst als natürliche Person nicht klagebefugt sei, regt sie an und beantragt, daß die Europäische Kommission ihrerseits Klage beim Europäischen Gerichshof gegen die Republik Österreich erhebt wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts.
 

2. Zugrundeliegende Vorgänge

In der zugrundeliegenden Sache, in welcher durch österreichische Instanzen gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen wurde, war die Unterzeichnende tätig und nach Österreich zu Hilfe gerufen unter allen, auch der Anwaltskammer Wien bekannten Vorzeichen und Terminierungen größter Dringlichkeit (Gefahr für Leib und Leben), per Eilfall also.

Es ging um die Abwendung einer Sachwalterschaft (Betreuung), betrieben vom Wiener Magistrat seit Februar 1999 gegen den damals 62-jährigen Herrn Dr. A. samt Zwangsbegutachtung und drohender Heimeinweisung mit absehbar baldigem Tod. Alle von Herrn Dr. A. angesprochenen Wiener Anwälte hatten sich für unzuständig oder für nicht sachkundig erklärt, waren sonstwie verhindert oder ganz einfach untätig geblieben. Während seiner Suche nach einem Rechtsanwalt hatte Herr Dr. A., neben vielen anderen, auch die Rechtsanwaltskammer Wien angerufen mit der dringenden Bitte, ihm einen Anwalt zu benennen. Fehlanzeige. Die Anwaltskammer konnte oder wollte nicht helfen. Es gab auch über die Anwaltskammer keinen Anwalt für Herrn Dr. A.: Totalversagen der Wiener Anwaltschaft samt Kammer! Es herrschte also diesbezüglich in Österreich das Justitium (Stillstand der Rechtspflege). In seiner Not hatte sich Dr. A. deshalb an die Unterzeichnende gewandt. Die Tätigkeit der Unterzeichnenden für Herrn Dr. A. bestand zum einen in seiner gerichtlichen Vertretung in der Sachwalterschaftssache: hier konnte der ihm seitens des Wiener Magistrats zugedachte soziale Tod (durch Einrichtung einer Zwangssachwalterschaft/Betreuung) abgewendet werden, ein Tod, dem nur allzuleicht, wie bekannt, binnen Stunden auch der biologische folgen kann: Heimeinweisung, Zwangsbehandlung, Elektroschock, noch dazu fehlindiziert, auch und gerade lebensalterbedingt, lebensgefährliche Komplikationen, Tod. Laut Medical Economics vom 7.3.1988 kann die Lebenserwartung für Ältere in Pflegeheimen "nur noch in Stunden bemessen werden." Zum andern bestand die Tätigkeit der Unterzeichnenden darin, durch Intervention hiesigerseits zu erreichen, daß Herr Dr. A. den Wiener Magistrat nicht mehr als Zwangsklient aufzusuchen braucht, sein Geld per Dauerauftrag erhält und letztlich nochmal mit dem davongekommen ist, was gemeinhin heutzutage auch in seinem Fall, wie schönfärberisch und abseits aller Realität auch immer, nicht Hundeleben, sondern Leben genannt wird.

Es ist hier in aller Deutlichkeit festzuhalten: Angefangen hat es damit, daß die Wiener Anwaltskammer versagt hat.
Herr Dr. A. fand keinen Anwalt, in ganz Wien nicht, in ganz Österreich nicht. Diese Anwaltskammer, die ihr Versagen gegenüber einem einheimischen Rechtssuchenden offenlegen mußte, diese Anwaltskammer ist es nun, die mit Schikanen die Unterzeichnende dafür zu bestrafen sucht, daß sie in Österreich tätig wurde für einen Hilfesuchenden, der in Wien und in ganz Österreich keinen Anwalt fand, trotz Hilfsersuchen an die Wiener Anwaltskammer. Diesen ihren Offenbarungseid in Sachen Rechtsgewährung versucht die Anwaltskammer nachträglich vergessen zu machen durch ihr Vorgehen gegen die Unterzeichnerin, dem sie einen, wenn auch noch so fadenscheinigen standesrechtlichen Anstrich zu geben versucht. Wie will die Anwaltskammer jemandem erklären, daß eine Anwältin aus dem europäischen Ausland einem österreichischen Rechtssuchenden in seiner Not zu Hilfe eilen mußte, allein deshalb, weil dieser trotz verzweifelter Suche zu Hause niemanden fand, der ihn gegen eine Zwangssachwalterschaft verteidigen konnte oder verteidigen wollte? Mehr als nur peinlich, vielmehr der Bankrott der organisierten dortigen Anwaltschaft!

Man hat bei der Wiener Anwaltskammer also allen Grund, die zu Tage getretene eigene Nullität durch viel Lärm um nichts versuchsweise vergessen zu machen. Anstatt aus der Sache zu lernen (falls das überhaupt noch möglich ist) und künftig für Abhilfe zu sorgen, hat man sich bei der Anwaltskammer darauf verlegt, an der Unterzeichnerin Rache zu nehmen für das eigene Versagen. Hierbei schreckt die Kammer auch nicht vor der Verletzung Europäischen Gemeinschaftsrechts zurück. Keine Schwierigkeiten bis heute hätte die Unterzeichnende, wenn sie, wie die Kollegen der Anwaltskammer Wien, Herrn Dr. A. in seiner Not allein gelassen hätte. Bestes kollegiales Einvernehmen bis heute und künftighin, beispielsweise wenn man sich trifft auf internationalen Anwaltskongressen, aber Herr Dr. A. unter Zwangssachwalterschaft, welcher in diesem Alter (62 Jahre) auch schon bald die Heimeinweisung folgt mit dem statistisch raschen Tod, vorverlegt um Jahre mittels Giftspritze oder Verhungernlassen durch "Todesengel", nicht nur in Wien. Der Anwalt als Euthanazigehilfe? Die Anwaltskammer kann ihre Hände jedenfalls nicht in Unschuld waschen; denn daß kein Blut geflossen und Herr Dr. A. nicht tot ist, das Verdienst der Anwaltskammer ist dies jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil.

Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien mit seinem "Einleitungsbeschluß" vom 31.10.2001 wirft der Unterzeichnerin ins Blaue hinein vor, sie habe in Österreich "rechtsanwaltliche Tätigkeiten entfaltet, ohne vor der erstmaligen Ausübung dieser Tätigkeit die zuständige Rechtsanwaltskammer Wien schriftlich zu verständigen". Diese Behauptung ist eindeutig falsch. Die Unterzeichnende hatte sich schon vor ihrem ersten gerichtlichen Tätigwerden vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien in der Sachwalterschaftssache von Herrn Dr. A. mit Herrn Dr. Herbert Hochegger, Anwalt und Ausschußmitglied der Wiener Anwaltskammer (!) kollegialiter in Verbindung gesetzt. Zwecks zusätzlicher Unterrichtung und weiterer Zusammenarbeit hatte sie dem österreichischen Kollegen und Ausschußmitglied der Wiener Anwaltskammer ihren Antrag an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien unverzüglich übersandt. Damit war die Unterzeichnende angemeldet als Anwältin, die in Wien eine Dienstleistung erbringt, eine Anmeldung, die nach Europäischem Gemeinschaftsrecht gar nicht gefordert werden dürfte, da sie die Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs unnötig und unzulässigerweise beschränkt. Damit wird in den Kernbereich der Europäischen Gemeinschaft eingegriffen, begann diese doch als Montanunion und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft aus der unabweisbaren Notwendigkeit, den Warenverkehr samt der Ware Dienstleistung durch Vereinheitlichung im Europäischen Raum reibungsloser zu gestalten und zu fördern, während die Rechtsanwaltskammer Wien exemplarisch das Gegenteil insinuiert: Obstruktion und Sabotage aus borniertem Nationalismus. Und dies übrigens entgegen aller durch die Unterzeichnerin ohne Notwendigkeit erbrachte Vorleistung in Sachen Anmeldung.

Gerade wurde durch die Einführung des Euro Europa, wie es heißt, unter ein Dach gebracht und als Euroland gefeiert, so daß auch Österreich keinerlei Grund hat, den Sessellift ins tiefste Kellerverlies zurückzuschalten.

Es war, ist und bleibt dabei: die Wiener Rechtsanwaltskammer ist unzuständig für eine irgend geartete nachträglich angemahnte "Meldepflicht". Denn im Bedarfsfall hätte unser damaliger Einvernehmensanwalt (vgl. unten), Herr Rechtsanwalt Dr. Hochegger, Ausschußmitglied der Anwaltskammer zudem, der Wiener Rechtsanwaltskammer vorab mitzuteilen gehabt, daß er als Einvernehmensanwalt gemeinsam mit der Unterzeichnerin vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien in Sachen Dr. A. tätig wird, sieht man versuchsweise einmal ab von dem seit Jahrzehnten praktizierten Usus, sieht man auch ab von den Römischen Verträgen, den Europäischen Gemeinschaftsrechten usw., welche dergleichen überflüssig machen.

Statt ein berufsgerichtliches Verfahren gegen die Unterzeichnerin auch nur ins Auge zu fassen, hätte eine der Sach- und Rechtslage adäquate Sicht der Dinge etwa wie folgt aussehen können, abgefaßt als Stellungnahme der Wiener Rechtsanwaltskammer zum in Rede stehenden Vorgang seit 1999. Zur Illustration ad hoc folgt hier die durch uns für die Europäische Kommission entworfene Gegenvorstellung. Die Wiener Anwaltskammer hätte etwa so schreiben können:

Der Magistrat Wien teilte der Anwaltskammer Wien mit, daß Frau Rechtsanwältin Ingeborg Muhler vor dem Magistrat (Stadtverwaltung) gemäß § 10 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz der Republik Österreich) als Allgemeiner Vertreter tätig wurde. Die Rechtsanwaltskammer setzte den Magistrat davon in Kenntnis, daß Angelegenheiten des § 10 AVG, da keine Anwaltstätigkeit, nicht in die Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammer fallen und gab den Vorgang unbearbeitet an den Magistrat zurück.   Soweit Frau Rechtsanwältin Muhler in Österreich vor Gericht als Rechtsanwältin aufgetreten ist, geschah die Erfüllung der Formalitäten fristgerecht durch ihr einvernehmliches Tätigwerden in Verbindung mit dem Wiener Anwaltskollegen und Ausschußmitglied der Wiener Rechtsanwaltskammer, Herrn Dr. Hochegger, dem die gegebenenfalls nötige Unterrichtung der Anwaltskammer oblag. Frau Rechtsanwältin Muhler hat also ihre Anwaltspflicht übererfüllt, nämlich weit über die gesetzlichen Anforderungen sogar in Österreich hinaus, vom Europäischen Recht erst gar nicht zu reden. Eine weitergehende Zuständigkeit der Anwaltskammer in Sachen Unterrichtung war nicht gegeben. Darüber hinaus hat die Kollegin, Frau Rechtsanwältin Muhler, ein Übriges getan und entgegenkommenderweise ihre Zulassungsurkunde als Anwältin der Kammer übersandt. Die Anwaltskammer war nicht imstande, eine versuchsweise Denunziation einer streitbefangenen und von der Rechtsanwältin unter Anzeige gestellten Stadtverwaltung unter allgemeinrechtlichen und erst recht unter europarechtlichen Kriterien als buchstäblich: Fehlanzeige zu erkennen. Die Anwaltskammer bedauert die durch sie verschuldeten Vorkommnisse zutiefst und sieht sich in der Schuld der deutschen Kollegin, die durch ihr beherztes Einschreiten den österreichischen Rechtssuchenden Herrn Dr. A. vor Schaden bewahrt hat und damit, wenngleich keine österreichische Anwältin, so doch als Kollegin im europäischen Rechtsraum, die Ehre der Anwaltschaft gerettet hat. Hiesigerseits zu leistende Maßnahmen der Wiedergutmachung für die Kollegin stehen noch aus. So etwa hätte eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Wien aussehen können, hätte sich diese an der Sach- und Rechtslage orientiert.

Zusammenfassend: Die Unterzeichnerin war rechtsförmlich und rechtsverbindlich angemeldet vor ihrer ersten Tätigkeit in Österreich. Die Rechtsanwaltskammer Wien ignoriert bis dato diese Tatsachen rechtswidrigerweise. Bei ihrem standesrechtlichen Vorgehen gegen die Unterzeichnerin versucht die Wiener Kammer, sich auf die Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes zu stützen. Diese Vorschrift ist jedoch unvereinbar mit europäischem Gemeinschaftsrecht.
 
 

II. Rechtliche Beurteilung:

1.

Die Unterzeichnende kann nicht darauf verwiesen werden, sie möge abwarten, ob ein nationales österreichisches Gericht in der sie betreffenden Sache eine Vorlage bei den europäischen Organen einreicht. Dies wäre zwar pflichtgemäß, stimmt doch vorliegend das nationale Recht nicht mit dem Gemeinschaftsrecht überein. Dieser Fall wird jedoch nicht eintreten. Denn: die nationale Gesetzesbestimmung, welche ab ovo gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen hat, stammt aus dem Jahre 1993. Seit 1993 sind inzwischen volle 9 Jahre vergangen, in welchen es offensichtlich noch nie zur Vorlage bei den europäischen Organen gekommen ist zwecks Überprüfung dieser Vorschrift.

Beweis: Die Bestimmung ist seit 9 Jahren in Kraft und wird nach wie vor angewandt. Die Unterzeichnende ist bei Weitem nicht die erste und auch nicht die letzte Rechtsanwältin, gegen welche diese Bestimmung in Anschlag gebracht wurde und wird. Auch den anderen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen wird als Gesetzeskundigen nicht entgangen sein, daß diese nationale österreichische Gesetzesbestimmung unvereinbar ist mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht. Dennoch kam es in den vergangenen 9 Jahren nie zur Vorlage bei den entsprechenden europäischen Organen, geschweige denn, daß diese europarechtswidrige Gesetzesbestimmung aufgehoben worden wäre. Es kann jedoch weder im Interesse der Europäischen Kommission noch im Interesse eines anderen Europäischen Gremiums liegen, daß nationale Instanzen, insbesondere österreichische Instanzen ihren nationalen Sonderweg gegen die Europäische Gemeinschaft behaupten. Denn dieses kleinstaatliche Denken und Vorgehen untergräbt die Existenzberechtigung der Kommission ebenso wie diejenige des Gemeinschaftsrechts insgesamt. Daß die österreichischen Gerichte, gleichgültig in welcher Instanz, nicht gewillt sind, die nationale Bestimmung europarechtlich überprüfen zu lassen, ist bereits Tatsache. Eine Tatsache, welche sich in europarechtswidrigen Beschränkungen des anwaltlichen Dienstleistungsverkehrs und in der disziplinarrechtlichen Bestrafung von Anwälten niedergeschlagen hat. Es ist der Unterzeichnenden nicht zuzumuten, diese rechtswidrige Prozedur über sich ergehen zu lassen und durch alle nationalen Instanzen noch einmal unter Beweis zu stellen, daß die österreichischen Gerichte nationale Alleingänge unternehmen. Die Unterzeichnende würde sich dadurch mitschuldig machen an dem Bruch des Europarechts durch österreichische Justizorgane. Außerdem gilt:

  1. Dieser Beweis ist bereits erbracht durch die Tatsache, daß es diese europarechtswidrige Bestimmung nunmehr seit 9 Jahren immer noch gibt, ja darüberhinaus, daß sie auch immer noch in Anwendung gebracht wird, wie neuerdings auch gegen die Unterzeichnerin.
  2. Nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens gegen die Unterzeichnerin bliebe dieser ein wirksamer Rechtsschutz versagt. Wenn sich die Unterzeichnerin erst nach rechtskräftigem Abschluß des nationalen Verfahrens an europäische Instanzen wenden würde, und die Europäische Kommission würde erst danach eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeiführen, dann würde zwar hinterher die nationale Bestimmung in Wegfall kommen. Dieser Wegfall wäre aber nur ex nunc wirksam, d.h. ab dem Zeitpunkt der Aufhebung der europarechtswidrigen Bestimmung, nicht rückwirkend. Die Verletzung der Rechte der Unterzeichnerin durch innerstaatliches Recht bliebe jedoch davon unberührt weiterbestehen, da das Verfahren gegen die Unterzeichnerin rechtskräftig geworden wäre, bevor die europarechtliche Überprüfung überhaupt begonnen hätte. Muß doch auch dem Einzelnen eine wirksame Rechtskontrolle durch europäische Instanzen möglich sein. Dies erstens in genereller Hinsicht, und zweitens auch und gerade, wenn es objektiv um die Freiheit der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. um die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs in Europa geht.
Im Vorliegenden kommt noch folgende Besonderheit hinzu, die es ebenfalls ausschließt, daß ein befaßter österreichischer Richter die Sache den europäischen Instanzen vorlegt: Die Richter der Anwaltskammer Wien, welche über die standesrechtlichen Vorwürfe gegen die Unterzeichnerin entscheiden wollen, sind selbst Streitgegner und Partei. Sie sind befangen und entscheiden in eigener Sache. Hat sich doch die Anwaltskammer Wien seit 1999 in eine Position hineinmanövriert, die es ihr unmöglich macht, von ihrem einmal eingeschlagenen Weg abzugehen. Würde die Anwaltskammer Wien das standesrechtliche Verfahren gegen die Unterzeichnerin einstellen und die unhaltbaren Vorwürfe zurücknehmen, so stünde damit automatisch die Anwaltskammer selbst, insbesondere ihr Ausschußmitglied Dr. Hochegger unter Anklage, samt konsekutiven zivilrechtlichen Regreßansprüchen. Man weiß bei der Anwaltskammer, daß die Unterzeichnende bei ihrem ersten Auftreten in Österreich rechtsgültig angemeldet war. Die Anwaltskammer ignoriert dies jedoch wider besseres Wissen. Nur deshalb kam das von Anfang an unhaltbare Standesverfahren in Gang. Es geht bei dem vordergründig gegen die Unterzeichnerin geführten Verfahren der Sache nach vielmehr um das juristische und nicht zuletzt auch politische Überleben der Wiener Anwaltskammer (das österreichische Justizministerium ist mit der Sache ebenfalls bereits befaßt). Daraus folgt, daß kein mit der Sache befaßter anwaltlicher Richterkollege der Anwaltskammer Wien je der Unterzeichnerin recht geben wird, geschweige denn die Angelegenheit zwecks europarechtlicher Überprüfung den entsprechenden supranationalen Instanzen vorlegen wird. Die Anwaltskammer Wien kann das Licht der europarechtlichen Betrachtung nur scheuen. Das für solche Fälle vorgesehene europarechtliche procedere würde im vorliegenden Fall versagen. Der Richter, der im laufenden Verfahren feststellt, daß innerstaatliches Recht von Gemeinschaftsrecht abweicht und der bis zur Klärung der Rechtsfrage sein innerstaatliches Verfahren aussetzt bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, an dessen Spruch er sich hält, diesen Richter gibt es im vorliegenden Verfahren nicht und es kann ihn auch nicht geben. Und es ist nicht nur Korpsgeist oder daß die zur Wiener Kammer Gehörigen ihr Gesicht nicht verlieren wollen, was einer Revidierung der Sache durch die Wiener Anwaltskammer entgegensteht, sondern es sind nicht zuletzt auch handfeste materielle Interessen der Wiener Anwaltskammer, wie gesagt (Regreßforderungen der Unterzeichnenden etc., d.h. die Anwaltskammer müßte blechen).

Auch das österreichische Justizministerium hat keine Interesse daran, daß die für die gesamte österreichische Justiz äußerst blamable Sache (s. o.: es herrschte das Justitium) vor europäische Instanzen kommt. Ein deutscher Richter beispielsweise, der in den 70-er Jahren eine Eingabe an die Europäische Kommission machte zwecks Überprüfung der innerstaatlichen Rechtsprechung zum Aufenthaltsrecht italienischer Arbeitnehmer in Deutschland, wurde vom Justizministerium gemaßregelt und es wurde deshalb (!) ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Abgesehen von ihrem schon genannten Eigeninteresse, werden die Richter in Sachen Wiener Anwaltskammer auch nicht ein disziplinarrechtliches Verfahren von Seiten der Justizorgane gegen sich selbst auf sich ziehen wollen.

Es bleibt also dabei: Schon jetzt steht fest: im vorliegenden Fall wird es zu keiner europarechtlichen Vorlage der Sache durch die anwaltlichen Richter der Anwaltskammer Wien kommen. In diesem besonderen Fall ist es somit Sache der Europäischen Kommission, im Sinne der eingangs gestellten Anträge direkt selbst und sofort tätig zu werden.
 

2.

Die Republik Österreich, Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft mit allen Rechten und Pflichten, hat durch Erlaß des § 3 Absatz (1) Satz 2 des "österreichischen Bundesgesetzes über die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs und die Niederlassung von Rechtsanwälten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Rechtsanwaltsgesetz 1992)" gegen die Verpflichtungen verstoßen, die ihr das Gemeinschaftsrecht auferlegt. Die Antragstellerin ist durch diese Vorschrift unmittelbar verletzt. Nach ihrem korrespondenziellen Auftreten in Österreich, sowohl als Allgemeiner Vertreter nach § 10 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz der Republik Österreich), als auch überflüssigerweise als Rechtsanwältin (es bestand kein Anwaltszwang!), wurde gegen die Unterzeichnerin von der Wiener Anwaltskammer die genannte Vorschrift des österreichischen EWR-Rechtsanwaltsgesetzes angewendet, eigens zum Zweck der rechtswidrigen Durchführung standesrechtlicher Maßnahmen. Der freie Dienstleistungsverkehr von Rechtsanwälten innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft wird durch diese Maßnahme in unzulässiger Weise eingeschränkt und behindert. Dies ganz im Gegensatz zu Absicht und Buchstaben der einschlägigen europäischen Vereinbarungen.

Diese, wie gesagt anachronistische Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes, der zufolge der Anwalt verpflichtet sei, "vor der erstmaligen Ausübung einer derzeitigen Tätigkeit in der Republik Österreich ... die zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 6 Abs. 1) schriftlich zu verständigen", glaubt die Wiener Anwaltskammer, in schikanöser Weise gegen die Unterzeichnerin einsetzen zu können.

Nicht-österreichische Anwälte werden damit so obsoleten wie irrationalen Vorschriften unterworfen. Die unterschiedliche Behandlung österreichischer und nicht-österreichischer Anwälte ist weder sachlich, noch rechtlich, geschweige denn europarechtlich zu begründen. Durch die Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes werden nationalistisch-ethnische Diskriminierungen zum Bestimmenden gemacht und die entgegenstehenden europarechtlichen Vorschriften liquidiert, welche dergleichen Diskriminierungen verbieten. Gäbe es diese europarechtswidrige nationale Vorschrift nicht, so hätte die Wiener Anwaltskammer auch de facto keine Handhabe, landesfremde Anwälte vor Erbringung ihrer Dienstleistung in Österreich einer die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs obstruierenden Meldepflicht zu unterwerfen. Durch die genannte Vorschrift werden nicht-österreichische Anwälte einem so dysfunktionalen wie seit den Zeiten der untergegangenen k.u.k.-Monarchie längst überholten Unterwerfungsritual unterzogen. Demgegenüber profitieren österreichische Rechtsanwälte wettbewerbswidrig in allen anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft von den Vorteilen der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs in Europa, wohingegen die Rechtsanwälte aller anderen Mitgliedstaaten in Österreich Beschränkungen unterworfen werden.

Alle diesbezüglichen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und Vorgaben zielen darauf ab, unter Überwindung überholter nationalstaatlicher Schranken den Rechtsanwälten in Europa eine möglichst ungehinderte Berufsausübung zu gewährleisten:

In Bezug auf die unbeschränkte anwaltliche Dienstleistung hatte der EuGH schon 1974 (Urteil vom 3. Dezember Slg. 1974, S. 1299) Anlaß auf Folgendes hinzuweisen: "Die Bestimmungen des Art. 59 EWGV beinhalten die Beseitigung aller Beschränkungen, denen der dienstleistende Rechtsanwalt unterworfen ist, entweder aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit oder wegen des Umstands, daß er in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als dem, in dem die Leistung zu erbringen ist." Und weiter: "Soweit sie zum Gegenstand haben, alle Diskriminierungen des Erbringers der Dienstleistung aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit oder wegen seines Aufenthalts in einem anderen als dem Mitgliedstaat, in dem die Leistung zu erbringen ist, zu beseitigen, haben die Artikel 59 Absatz 1 und 60 Absatz 3 unmittelbare Wirkung und können infolgedessen vor den staatlichen Gerichten herangezogen werden. " [Rs 33/74, van Binsbergen (Johannes Henricus Maria van Binsbergen gegen Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid), Urteil vom 3. Dezember 1974; Slg. 1974, S. 1299].

Mit der Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltsgesetz, welche den nicht-österreichischen Anwalt dazu zwingt, "vor der erstmaligen Ausübung" seiner Tätigkeit in Österreich "die zuständige Rechtsanwaltskammer schriftlich zu verständigen", mit dieser Vorschrift verstößt die Republik Österreich gegen die europarechtlichen Bestimmungen, welche den Abbau nationalstaatlicher Beschränkungen der Berufsausübung gebieten. Erst recht nach der neueren Entwicklung des Gemeinschaftsrechts ist diese Knebelung der anwaltlichen Tätigkeit europarechtlich nicht länger haltbar.

Nach dem 14.3.2000 kann sich jeder deutsche Rechtsanwalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft niederlassen und dort sofort unter der Bezeichnung "Rechtsanwalt" praktizieren. Dadurch ist die Anmeldevorschrift für den ohnehin nur dienstleistenden Rechtsanwalt mit ihrem Zwang zur "schriftlichen Verständigung" erst recht überholt. Diese standesrechtliche Vorschrift ist nicht länger vereinbar mit dem nunmehr geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht. Auch der Kommentar von Cuber/Cuber zur österreichischen Rechtsanwaltsordnung (RAO), Erscheinungsjahr 2000, führt gegen die Zwangsanmeldung unmißverständlich ins Feld: "Klarzustellen wäre, daß die in Abs. 1 vorgesehene Verständigung der Rechtsanwaltskammer lediglich einen standesrechtlichen Hintergrund hat, selbstverständlich aber keine verfahrensrechtliche Voraussetzung darstellt." "Lediglich einen standesrechtlichen Hintergrund hat", das heißt im Klartext: sachlich und rechtlich ist diese Vorschrift schon längst überholt. Sie ist erst recht überholt im europäischen Rahmen. Zum Vergleich: will die Unterzeichnerin beispielsweise in Frankreich vor Gericht auftreten, so tut sie das und schon ist sie unmittelbar angemeldet, zugelassen und beim dortigen Gericht eingeführt. So ist das europarechtlich geregelt und nicht erst seit kurzem, sondern schon seit den Römischen Verträgen aus den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Der Zwang zur schriftlichen Anmeldung ist in jeder Hinsicht dysfunktional. Seine Nichtbeachtung könnte denn auch keinerlei standesrechtliche Wirksamkeit entfalten. Wozu soll diese Vorschrift dienen? Der Anwalt ist tätig vor Behörden oder vor Gerichten des Gastlandes. Hier hat er die standesrechtlichen Vorschriften zu beachten, nur hier können überhaupt Gesichtspunkte des Standesrechts greifen, nämlich soweit sie sich auf sein anwaltliches Auftreten in actu beziehen. Nur bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit kann der Anwalt danach beurteilt werden, ob er sich an die Standesrichtlinien hält, was auch immer darunter verstanden werden mag. Dem Richter kann am Verhalten des Anwalts etwas auffallen, dem Sachbearbeiter bei der Behörde, dem gegnerischen inländischen Kollegen. Dagegen kann der Anwaltskammer rein gar nichts auffallen. Mit und ohne Vorabverständigung ist niemand von der Anwaltskammer qua Amt mit dabei im Gerichtssaal, bei der Verhandlung vor der Behörde oder sonstwo, wenn der auswärtige Anwalt in Österreich tätig ist. Der rein postalische Akt der schriftlichen Verständigung der Anwaltskammer trägt weder zur Rechtssicherheit bei, noch garantiert er, daß der so bei der Anwaltskammer vermerkte Anwalt seine Anwaltspflichten auch tatsächlich erfüllt. Hält dagegen beispielsweise ein Richter ein anwaltliches Verhalten für unvereinbar mit dem anwaltlichen Standesrecht, so wird er sich, unter Schilderung des Sachverhalts und unter Beifügung der anwaltlichen Bevollmächtigung und der Schriftsätze, welche im Briefkopf Name und Anschrift des Anwalts sowie das Gericht seiner Zulassung aufweisen, an die Anwaltskammer wenden. Damit ist die Anwaltskammer verständigt und hat zudem alle erforderlichen Informationen über den Anwalt, auch und gerade in puncto Standesrecht.

Es ist bezeichnend, daß in § (2) Absatz 2 des österreichischen EWR-Anwaltsgesetzes dem Gericht bzw. der Behörde das Recht eingeräumt wird, von dem bei diesen Institutionen auftretenden Rechtsanwalt den Nachweis seiner anwaltlichen Berechtigung zu fordern: "(Der Anwalt hat) dem Gericht oder der Behörde, vor der er auftritt, auf Verlangen seine Berechtigung nach § 1 nachzuweisen. Wird dieses Verlangen gestellt, so darf er die Tätigkeit erst ausüben, wenn der Nachweis erbracht ist". Ämter, Einrichtungen und Gerichte, also all diejenigen, welche mit dem Anwalt bei dessen Berufsausübung direkt zu tun haben, haben das Recht (keinesfalls die Pflicht!), vom Anwalt den Nachweis seiner Berechtigung zu verlangen, die Anwaltstätigkeit auszuüben.

Auch bei Verfahren mit Anwaltszwang, d.h. wenn es sich um Verfahren handelt, bei denen die Zusammenarbeit mit einem österreichischen Einvernehmensrechtsanwalt vorgeschrieben ist (dessen Vereinbarkeit mit dem Europarecht im Vorliegenden dahingestellt bleiben kann), ist
a) das Einvernehmen nur direkt mit dem österreichischen Kollegen herzustellen und
b) das Einvernehmen nur direkt dem Gericht gegenüber nachzuweisen.

Eine Meldung an die Anwaltskammer, sei es seitens des einheimischen, sei es seitens des auswärtigen Anwalts ist dabei nirgends im Gesetz vorgeschrieben. Wozu auch? Das vor dem ersten Tätigwerden geforderte Anschreiben an die Anwaltskammer ist eine leere Formalität, deren Erfüllung so untauglich ist wie ihre Nichterfüllung unbeachtlich. In verfahrensrechtlicher Hinsicht, also im Hinblick auf die Tätigkeit des Anwalts, ist die "Verständigung" der Kammer ganz und gar bedeutungslos, worauf auch im aktuellen Kommentar zur RAO (s.o.) hingewiesen wird. Die Anmeldevorschrift in § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltsgesetz ist in keiner Weise ableitbar etwa aus einem Grundsatz der Organisation der Rechtspflege oder des Standesrechts, der als objektiv notwendig und im Allgemeininteresse liegend zu beachten wäre.

Insbesondere aus der "Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde", geht hervor, daß eine Pflicht zur "Verständigung", wie sie von der Wiener Anwaltskammer eingefordert wird, mit der Dienstleistungstätigkeit des europäischen Anwalts unvereinbar ist. Eine Pflicht zur "Eintragung" bei der "zuständigen Stelle des Aufnahmestaates" gibt es demgegenüber einzig und allein für Anwälte, die sich im Aufnahmestaat in vollem Umfang dauerhaft beruflich niederlassen wollen. In der Richtlinie heißt es dazu:

"Artikel 3 Absatz 1: Jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, hat sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen". Also nur für Anwälte, die ihre Anwaltstätigkeit dauerhaft in einem anderen europäischen Mitgliedstaat mit dortiger Niederlassung ausüben wollen, gibt es eine Pflicht zur Eintragung. Auf die Tätigkeit eines Anwalts, der lediglich eine zeitlich befristete Dienstleistung im europäischen Ausland erbringt, wie dies im Falle der Unterzeichnerin und ihrer Tätigkeit für Herrn Dr. A. der Fall war, ist diese Eintragungsvorschrift ebensowenig anwendbar wie aus dieser Eintragungsvorschrift die Berechtigung abzuleiten wäre, eine "Vorabverständigung" der Anwaltskammer zu verlangen.

Die Grundlage für die Tätigkeit der Unterzeichnerin in Österreich war die Dienstleistungsrichtlinie 77/249/EWG. Auch aus ihr ist eine Pflicht zur Verständigung der Anwaltskammer Wien nicht ableitbar. Dies stellt die Richtlinie 98/5/EG noch einmal ausdrücklich klar. Danach ist zwar eine Anmeldung im Aufnahmestaat vorgesehen, aber ausschließlich dann, wenn der auswärtige Anwalt in Gemeinschaft mit einem inländischen Anwalt tätig wird, weil Anwaltszwang besteht. Der Adressat dieser Anmeldung ist aber auch in diesem Fall der Anwaltskollege im Aufnahmestaat und keineswegs die Anwaltskammer.

In der Richtlinie 98/5/EG heißt es hierüber:

"(10) ... aus der Richtlinie 77/249/EWG (ist) die Bestimmung zu übernehmen, wonach der Aufnahmestaat verlangen kann, daß der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt für die Vertretung und Verteidigung von Mandanten vor Gericht im Einvernehmen mit einem einheimischen Rechtsanwalt handelt." Zur Erinnerung: die Unterzeichnerin hat sofort bei der Aufnahme ihrer Dienstleistungstätigkeit in Österreich das kollegiale Einvernehmen mit einem Anwalt des Gastlandes hergestellt. Sie hat damit hinsichtlich Anmeldung mehr getan, als sie hätte tun müssen. Denn für ihre Tätigkeit vor Gericht bestand kein Anwaltszwang. Die Unterzeichnerin hätte diese Tätigkeit also auch als Beistand ausüben können, ohne Anwältin zu sein und erst recht ohne die Pflicht, dies im Einvernehmen mit einem inländischen Anwalt zu tun. Es war gar kein Einvernehmensanwalt erforderlich gewesen. Auch aus dieser Tatsache geht der rein schikanöse Charakter der Disziplinarmaßnahmen klar hervor, derer man sich bei der Wiener Anwaltskammer glaubt, bedienen zu können.

In der Richtlinie 98/5/EG werden als Mängel in den nationalen Gesetzgebungen festgestellt:

"(6) ... unterschiedliche Situationen ((in den verschiedenen Mitgliedstaaten)) führen zu Ungleichheiten und Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zwischen den Rechtsanwälten der Mitgliedstaaten und bilden ein Hindernis für die Freizügigkeit". Diese Mängel aufzuheben war Sinn und Zweck auch der Richtlinie 98/5/EG. Diese "Ungleichheiten", die laut Richtlinie europaweit nun endlich überwunden sein sollten, werden durch den österreichischen Anmeldezwang für ausländische Anwälte weiter aufrechterhalten. Die Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes stellt ein Hindernis dar für die freie Dienstleistung der europäischen Anwälte in Europa. Die österreichische Vorschrift verstößt gegen Gemeinschaftsrecht.

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist deshalb aufgefordert, diesbezüglich für Abhilfe zu sorgen und die Republik Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts, eine Verletzung, welche nur durch die Annullierung und Aufhebung der erwähnten nationalen österreichischen Vorschrift behoben werden kann. Die Klage der Europäischen Kommission beim EuGH hat den Zweck, das Land Österreich zu verurteilen, sein diesbezügliches nationales Recht in Einklang zu bringen mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht, d.h. die Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes aufzuheben.

Es ist daran zu erinnern, daß das Standesrecht, aus dem die Wiener Anwaltskammer ihre Straf- und Anschwärzmaßnahmen und die Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs versuchsweise ableitet, kein Selbstzweck ist. Das Standesrecht dient nicht dazu, feudale Relikte zu perpetuieren und Anwälten einen Kotau vor ihrer Standesorganisation abzuverlangen. Es dient zuvörderst dem Schutz des Mandanten. Völlig absurd, rechtsfeindlich und ein Verstoß gegen das Schikaneverbot ist es deshalb, wenn die Anwaltskammer Wien gerade die vorbildliche und selbstlose anwaltliche Dienstleistung der Unterzeichnerin, die dabei den juristischen Kodex par excellence eingehalten hat, mit standesrechtlichen Vorschriften zu bestrafen und tendenziell zu knebeln sucht.

Aus dem auch standesrechtlich völlig inhaltsleeren Akt einer schriftlichen "Vorabverständigung" der Anwaltskammer wird von dieser ein standesrechtliches Vergehen konstruiert. In einem anderen Alpenland gab es einst einen österreichischen (!) Landvogt namens Geßler, der seine Untertanen aus purer Herrscherwillkür zwang, seinen auf einer Stange wackelnden Hut zu grüßen. Was daraus folgte, ist bekannt und seit Wilhelm Tell muß in Österreichs Nachbarland niemand mehr dergleichen feudalen Unterwerfungsritualen Folge leisten. In Österreich wurde zwar kein Rütlischwur geleistet, wie in der Schweiz der österreichischen Habsburger, und es wurde auch kein König und manch’ andrer aus dem Adelsstand geköpft wie im 1789er Frankreich. Aber dennoch fiel im Lauf der Zeit sogar in Österreich so mancher alte Zopf. Leere Hüte grüßen ist in ganz Europa ein für alle Mal passé, erst recht, wenn unter diesem alten Hut längst überholte Unterdrückungsverhältnisse konserviert werden sollen, zumal im Aufputz eines verzopfterweise noch immer so genannten und noch immer nicht abgeschafften feudalrelinquenten "Standesrechts".
 

3.

Unter Punkt 2 des Disziplinarratsbeschlusses der Wiener Rechtsanwaltskammer vom 31.10.2001 heißt es, die Unterzeichnerin habe "das Schreiben des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 7.10.1999 keiner meritorischen Beantwortung zugeführt". Dies ist eindeutig falsch und bei der Wiener Anwaltskammer weiß man das auch.

Die Unterzeichnerin hat in dieser Sache vielfach Schreiben an die Wiener Anwaltskammer gerichtet und zwar vor und nötigenfalls sogar nach Ablauf der von der Anwaltskammer gesetzten Äußerungsfrist, denn es handelte sich dabei keineswegs um eine gesetzliche Frist. Der Sache nach ging es bei dem Schreiben vom 7.10.1999 um den Rechtsanspruch der Unterzeichnerin auf rechtliches Gehör, das die Anwaltskammer zu gewähren hatte. Die Unterzeichnerin konnte dieses ihr Recht in der Weise wahrnehmen, daß sie sich äußerte oder auch nicht äußerte. Die Unterzeichnerin konnte sich äußern, keinesfalls mußte sie sich äußern. Die Anwaltskammer verkehrt nun dieses Recht der Unterzeichnerin, das wahrzunehmen oder darauf zu verzichten ihr freistand, in eine angebliche Pflicht zur Äußerung ("meritorische Beantwortung"), um dann auch noch die obendrein fälschlich behauptete Nichtbefolgung dieser gar nicht bestehenden Pflicht rechtswidrigerweise standesrechtlich bestrafen zu wollen.

Im übrigen war es die Wiener Anwaltskammer selbst, welche die Anschreiben, Anträge und Anfragen der Unterzeichnerin in der Sache durchweg unbeanwortet gelassen hat (siehe hierzu Strafanzeige gegen die Wiener Anwaltskammer vom 15.1.2001, in der auch die in Bezug genommenen Schreiben aufgeführt sind, Anlage 3). Im erwähnten Schreiben vom 7.10.1999 versuchte die Anwaltskammer Wien fraudulent die Unterzeichnerin zu einer Beantwortung der Scheinfrage zu provozieren, weshalb sie sich nicht bei der Anwaltskammer vorab angemeldet habe, bevor sie in Österreich tätig wurde. Wie oben schon ausgeführt, war die Unterzeichnerin längst angemeldet gewesen bei ihrem Tätigwerden in Österreich. Es gab also gar keinen Raum für eine derartige Frage. Dennoch hatte die Unterzeichnerin vor Ablauf der nichtgesetzlichen, von der Anwaltskammer festgelegten Frist ohne Rechtspflicht Schreiben an die Anwaltskammer gerichtet.

Ohne die rechtswidrige Anmeldezwangsvorschrift nach § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes, gäbe es auch den abseitigen Vorwurf der fehlenden "meritorischen Beantwortung" dieser Anmeldefrage nicht. Nachdem es bei der Wiener Kammer aber nun einmal mit Rechtsverstößen angefangen hatte, konnte es im Weiteren nur noch schlimmer werden, denn "das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend immer Böses muß gebären". Es liegt somit auch im eigenen wohlverstandenen Interesse derer von der Wiener Anwaltskammer, wenn auch sie baldmöglichst von dem Fluch dieser immer tieferen Verstrickung befreit werden, die, einmal in Gang gekommen, gerade von den Urhebern selbst kaum noch zu stoppen und in den Schädel und in den Griff zu bekommen ist.
 

4.

Der Disziplinarratsbeschluss der Wiener Rechtsanwaltskammer vom 31.10.2001 umfaßt drei Punkte, von denen die zwei ersten durch das oben Vorgetragene erledigt sind. Es bleibt somit nur noch der letzte Punkt unter europarechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.

Unter Punkt 3 der vorgenannten Schrift heißt es, die Unterzeichnerin habe "sich in den Eingaben vom 19.4.1999 und 4.6.1999 im Verfahren 2 P 64/99y des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien sowie in ihrer Eingabe vom 22.4.1999 an den Magistrat der Stadt Wien einer beleidigenden und unsachlichen Schreibweise bedient, indem sie die Vorwürfe erhoben habe,
gegen den Magistratsbeamten Kartusch, er habe
a) Rechtsbruch begangen
b) ein Sachwalterschaftsverfahren beantragt unter Heranziehung eines rechtswidrig erschlichenen Vorwands und
bezüglich der Pflegschaftsrichterin Mag. Öllinger, sie habe
a) den Rechtsbruch des Kartusch perpetuiert und potenziert und
b) wäre das Fehlverhalten der zuständigen Richterin unter strafgerichtlichen Gesichtspunkten zu prüfen unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Rechtsbeugung, des strafbaren Verstoßes gegen das Willkürverbot, des Verstoßes gegen das Schikaneverbot sowie des Amtsmißbrauchs, wobei diese Vorwürfe in einer Broschüre "Krankheitsweltgericht" veröffentlicht worden seien."

Das unter Punkt 3 dieses Beschlusses Ausgeführte ist deshalb ein Fall für die Europäische Kommission, weil sich die Rechtsanwaltskammer Wien hierbei in der Art und Weise eines verbotenen Sonder- und Ausnahmegerichts Entscheidungsbefugnisse anmaßt, die ihr nicht zustehen; denn Sonder- und Ausnahmegerichte sind europaweit verboten.

Keiner der Genannten, weder ein Herr Kartusch vom Wiener Magistrat noch eine Frau Öllinger vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien, hat sich über die Unterzeichnerin je beschwert, geschweige denn überhaupt beleidigt gesehen. Keiner hat sich jemals an die Anwaltskammer oder gar an die Staatsanwaltschaft gewandt. Es war somit kein Raum für eine Tätigkeit der Anwaltskammer. Die Anwaltskammer ist nicht zuständig. Sie usurpiert Befugnisse, die ihr nicht zustehen.

Was den Inhalt der angeblich beleidigend sein sollenden Ausführungen der Unterzeichnerin betrifft, so maßt sich die Anwaltskammer hierbei in der Art eines Sonder- bzw. Ausnahmegerichts ebenfalls Befugnisse an, die ihr nicht zustehen. Von "Rechtsbruch", Kartusch betreffend, bis "Amtsmißbrauch", Öllinger betreffend, sind das alles nicht etwa ehrenrührige Wertungen, sondern strafrechtliche Tatvorwürfe im Sinne des österreichischen Strafgesetzbuchs, welche die Unterzeichnerin tatsächlich erhoben hat und die – wohlgemerkt! – auch allesamt zutreffen. Es sind Vorwürfe, die bei der Vertretung von Herrn Dr. A. gegen den Magistratssachbearbeiter Kartusch und gegen die Sachwalterschaftsrichterin Öllinger erhoben wurden, Vorwürfe, die, falls ihre Berechtigung bestritten würde, zu klären wären auf dem dafür zuständigen Rechtsweg, nämlich im Wege der strafrechtlichen Verfolgung der Damen und Herren bei Magistrat und Gericht in Wien, und da gibt es neben Kartusch und Öllinger auch noch die Kindermanns, Pröbstings, Kaltcus und Scheidels, und nicht zu vergessen eine Nervenärztin Frau Dr. Mollik-Kreuzwirt.

Es ist bezeichnend, daß die Anwaltskammer mit keinem Wort erwähnt, daß sämtliche Verfahren, in denen die Unterzeichnerin tätig war, von ihr gewonnen wurden, die sachliche und rechtliche Begründetheit ihrer Rechtsansicht somit amtlich und gerichtlich bestätigt wurde; was man von der Rechtsansicht der Gegenseite nun ganz und gar nicht behaupten kann. Unsere Rechtsansicht: "Rechtsbruch begangen", "ein Sachwalterschaftsverfahren beantragt unter Heranziehung eines rechtswidrig erschlichenen Vorwands", "den Rechtsbruch perpetuiert und potenziert", "Fehlverhalten der Richterin unter strafgerichtlichen Gesichtspunkten zu prüfen unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Rechtsbeugung, des strafbaren Verstoßes gegen das Willkürverbot, des Verstoßes gegen das Schikaneverbot sowie des Amtsmißbrauchs" – – Ja! Genau! Das und noch vieles mehr ist den Genannten vorzuwerfen. Über die von uns angestrengten Strafanzeigen und Disziplinarverfahren ist noch längst nicht abschließend entschieden.

Im Übrigen sind dies Rechtsausführungen, die als solche die Anwaltskammer ebenfalls rein gar nichts angehen. Die Anwaltskammer ist kein Obergericht und keine Staatsanwaltschaft, die über die Berechtigung dieser Vorwürfe in sachlich-rechtlicher Hinsicht zu urteilen hätte. Das alles ging und geht die Anwaltskammer nichts an.

Ebenso wenig hat es eine Anwaltskammer zu kümmern, ob und wann und wie und wer auch immer von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch macht und eine Broschüre namens "Krankheitsweltgericht" veröffentlicht. Die Wiener Anwaltskammer hält sich wohl für die Heilige Inquisition oder den Vatikan und meint, es bedürfe ihres "nihil obstat", bevor ein Druckwerk in Österreich veröffentlicht werden darf. Die Anwaltskammer hat diese Broschüre ihrem Schreiben vom 31.10.2001 wohlweislich erst gar nicht beigelegt. Im übrigen behauptet die Anwaltskammer ja nicht einmal, es sei die Unterzeichnerin gewesen, welche diese Broschüre herausgegeben habe. Die Anwaltskammer wähnt eine Tat gefunden zu haben, aber nach dem Täter sucht sie erst gar nicht. Also auch hier: Unzuständigkeit der Wiener Anwaltskammer.
 
 

Zusammenfassend, aber nicht abschließend:

1.)
Die Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes ist unvereinbar mit den europarechtlichen Richtlinien und Gesetzesregelungen. Insbesondere verstößt sie gegen die Freizügigkeit des Dienstleistungsverkehrs in Europa.
2.)
Das Gleiche gilt für eine Wiener Anwaltskammer, die sich verbotener Sonder- und Ausnahmegerichtspraktiken bedient. Auch dies ist unvereinbar mit dem Europäischen Recht.
3.)
Die Zuständigkeit der europäischen Instanzen ist auch und nicht zuletzt deshalb gegeben, weil die innerstaatlichen österreichischen Einrichtungen von Staatsanwaltschaft bis Justizministerium trotz vielfacher Verstöße gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht untätig geblieben sind. Insbesondere hat seit 9 Jahren kein einziges Gericht der nationalen Instanzen jemals durch Vorlage der Rechtssache bei den europäischen Organen dafür Sorge getragen, daß die Rechtswidrigkeit der genannten Bestimmung festgestellt und die Bestimmung annulliert wurde. Es muß daher nicht noch einmal abgewartet werden, ob dies etwa in der Sache geschähe, in welcher die Unterzeichnerin in ihren gesamteuropäisch garantierten Rechten verletzt ist.

III.

Die Sache ist von allgemeinem und generalpräventivem Interesse. Es geht dabei keineswegs nur um Berufs- und Meinungsfreiheit contra Standesrecht in einem Europa von heute. Auch handelt es sich bei der Vertretung des Herrn Dr. A. durch die unterzeichnende Rechtsanwältin beileibe nicht nur um die isolierte Abwendung einer Sachwalterschaft (Betreuung) gegen einen Einzelnen, einen Einzelfall somit, alltäglich, banal, Amts- und Gerichtsroutine. Darum geht es hier nicht. Für Herrn Dr. A. waren in Österreich sämtliche Rechtsgarantien seit Magna Charta und Habeas-Corpus-Akte suspendiert. Ohne die Tätigkeit der Unterzeichnerin wäre Herr Dr. A. rechtlos der übergesetzlichen Zwangspsychiatrie ausgeliefert gewesen. Herr Dr. A., mittlerweile 64 Jahre alt, ist nach wie vor in jeder Hinsicht unauffällig, wie Millionen anderer Bürger, tut keiner Fliege etwas zuleide, sondern ist nicht zuletzt kraft Priesteramts bestrebt, nichts Gutes, das ihm über den Weg läuft, ungetan zu lassen.

Kein Anwalt in Österreich konnte oder wollte Herrn Dr. A. verteidigen, die Rechtsgewährungspflicht war außer Kraft, es herrschte das Justitium. Heute ist es Herr Dr. A., morgen eine Frau X., übermorgen sonst jemand. Was als Sachwalterschaft (Betreuung) beginnt, endet nur allzu leicht, wie bekannt, binnen Stunden mit dem Tod. Die Lebenserwartung für Ältere in Pflegeheimen kann inzwischen nur noch "in Stunden gemessen werden" (Medical Economics, 7.3.1988). Wer unter Sachwalterschaft steht, kann gegen seinen Willen auch zu sogenannter "Heilbehandlung" gezwungen werden. Was "Heilbehandlung" ist, bestimmt in allen Fällen der Arzt, besteht doch dessen, sogar ökonomische Systemgrundlagen steuernde Machtvollkommenheit, heute vielfach "Ethik", bzw. sogar "Öko-Ethik" genannt, darin, durch keinerlei Wissen eingeschränkt zu sein, zumal durch kein medizinisches, besteht doch der Fortschritt in der Medizin bei ihrer Wahrheitsgrundlagenerforschung darin, daß, um exakt zu sein, im 3-Jahres-Abstand von Irrtum zu Irrtum fortgeschritten wird (SPIEGEL Nr. 14 vom 5.4.1999) und über Leichen ohnedies, wäre dem hinzuzufügen.

Der Sachwalter stimmt allem zu. Das Gericht hat schon vorab alles genehmigt. Und für den Patienten gibt es nicht einmal einen Anwalt. Wenn es einen solchen in Österreich nicht einmal für einen Herrn Dr. A. gab, mehrfacher Doktor, Mathematiker und Astronom, wieviel weniger dann erst für jeden anderen, dem mangels Kenntnissen des Anwalts- und Rechtswesens jede Möglichkeit genommen ist, an rechtlichen Schutz auch nur zu denken, gleichgültig woher, gleichgültig, ob mittellos wie der vorgenannte Titelträger, oder auch nicht.

Es ging und geht also um Leben und Tod, Leben oder Tod von Patienten, wohlgemerkt, die ansonsten gern unter humanistischem Anstrich als besonders schutzbedürftig und schutzwürdig bezeichnet werden.

Zur Unterzeichnerin als Anwältin kommen immer wieder Mandanten, deren Mutter oder Vater von Ärzten umgebracht wurden, ausdrücklich nur aus dem Grund, weil diese alt waren. Der eine oder andere Arzt hat sogar schon gratuliert zum Tod der Mutter mit den Worten: "Das ist Ihnen doch recht. Sie war ja schon so alt." Fassungslos sind die Angehörigen und suchen nach rechtlichen Möglichkeiten, hiergegen etwas zu tun, auch wenn ihre Mutter, ihr Vater, dadurch nicht mehr lebendig wird. Dies alles ist alltägliche Realität. Und die heutige Diskussion und Praxis der Ärzteklasse über Genetik und die Vernichtung kranken Lebens, schon bevor es geboren wird, nimmt genozidale Dimensionen an.

Im Dritten Reich wurden 275 000 Patienten im ärztlichen Euthanasieprogramm ermordet. An Patienten wurden die Gaskammern "erprobt", die später auch im sog. Judenvernichtungsprogramm zum Einsatz kamen. Die Euthanasie, die während des Dritten Reichs durchgeführt wurde, war im internationalen Rahmen von der Ärzteschaft bereits Jahrzehnte vorher gefordert und propagandistisch vorbereitet worden. Allerdings fanden die Ärzte erst im Nazideutschland die geeigneten Henker (die Hitlers) und Handlanger, die es ihnen ermöglichten, ihre Pläne zur Patientenvernichtung zwecks "Heilung" des "Volkskörpers" durchzuführen. Es ist inzwischen allgemein als Tatsache bekannt, daß diese Patientenvernichtung auch in Österreich und anderen europäischen Ländern durchgeführt wurde. Lediglich die Art des Umbringens war vielleicht verschieden. Die Patiententötung, das Euthanasieprogramm, wurde auch nicht etwa nach der gewaltsamen Beendigung des Dritten Reiches beendet, sondern mit anderen Methoden auch europaweit fortgesetzt. Auch dies ist allgemein bekannt.

Und heute noch und wieder werden Patienten von Ärzten getötet, euthanasiert, in Holland sogar straffrei. Dies geht soweit, daß inzwischen sogar einzelne holländische Ärzte – so wörtlich: – vor einer Iatrokratie und vor einer ärztlich durchherrschten Gesellschaft warnen und das Lebensrecht von Patienten reklamieren. Andere verlangen statt der Tötung von z.B. Alten eine "bessere geriatrische Versorgung". Das heißt, es wird öffentlich diskutiert, ob man statt umbringen, die Alten nicht besser versorgen sollte. Auch in Österreich ist die Patiententötung weit verbreitet, wenn auch nicht offiziell erlaubt.

Soweit es die Unterzeichnerin betrifft, so ist die Vorgehensweise der Wiener Anwaltskammer gegen sie beileibe keine österreichische Spezialität. Ein Kollege der Unterzeichnerin, Rechtsanwalt Schifferer, ein Anwalt aus der PATIENTENFRONT, dessen durch Ärzte unter Zuhilfenahme einer Rechtsanwaltskammer (RAK Nordbaden) um Jahrzehnte vorverlegter Todestag sich dieser Tage zum 10. Mal gejährt hat, hat ebenfalls für die Rechtsetzung durch Krankheit und für Patienten gekämpft und war von Ärzten dafür berufsgerichtlichen Angriffen ausgesetzt worden. Ihm wurde Verletzung des inzwischen für verfassungswidrig erklärten "Kammertons" vorgeworfen, er habe sich im Ton vergriffen, der von der Anwaltskammer vorgeschrieben sei. Die angegriffenen Ärzte gingen sogar so weit, den Anwalt wegen seiner Rechtsausführungen für "verrückt" erklären zu wollen – ein Unterfangen, das kläglich und zum großen Schaden auf die ärztlichen Urheber zurückgefallen ist –, und zwar weil er von Iatrokratie sprach, von der Tatsache, daß sich Ärzte über Legislative, Judikative und Exekutive straffrei hinwegsetzen können. Nicht nur die Europäische Menschrechtskommission und andere europäische Organisationen hatten das Vorgehen gegen Herrn Rechtsanwalt Schifferer verurteilt, sogar vor der UNO stand die Bundesrepublik Deutschland unter Anklage. Inzwischen ist der "Kammerton" für verfassungswidrig erklärt und es warnen sogar Ärzte in Gesamteuropa vor der Iatrokratie als einer "ärztlich durchherrschten Gesellschaft", weil ihnen das Patiententöten ihrer Kollegen zu weit geht. Diese Ärzte hüten sich jedoch davor, es Huber, PF/SPK(H), W.D., Dr.med., gleichzutun, und sich mit Patienten als Patienten für Krankheit bedingungslos einzusetzen. Sind die Verhältnisse für Patienten und ihre Lebensinteressen besser geworden? Mitnichten und im Gegenteil.

Zum Schluß noch der folgende Ausblick auf Gesamteuropa: wird die Vorschrift des § 3 Absatz (1) Satz 2 des österreichischen EWR-Rechtsanwaltgesetzes nach dem entsprechenden Eingreifen der Organe der Europäischen Gemeinschaften, hier: der Europäischen Kommission, für ungültig erklärt, so sind damit ja nun keineswegs alle österreichischen Besonderheiten abgeschafft. Auch Haidereien kann man in Europa nicht brauchen, und Europa weiß da ja auch sehr genau zu unterscheiden, wo eine Blockade angebracht ist, wenn ein Fall Haider überbordet, oder wo nicht. Manches andere aber geht sehr wohl, so z.B. die liebenswürdigen touristischen Attraktionen Fiaker, Kaffeehäuser, Mozartkugeln, wie überhaupt so ziemlich alles Alpenrepublikanische samt seinem unverwechselbaren Charme bis hin zur österreichischen Nationalhymne, nämlich dem Lied für Freimaurerlogen von Wolfgang Amadeus Mozart, in das wir, auch uneingeladen, an manchen Stellen, und sogar elliptisch, schon der schönen Melodie wegen, gern mit einstimmen:

Brüder, reicht die Hand zum Bunde! ...
Licht und Recht und Tugend schaffen
durch der Wahrheit Waffen ...
Dank dem Weltenmeister,
der die Herzen, der die Geister,
für ein ewig Wirken schuf!

 

Muhler
Rechtsanwältin