Iatroklasie
Im Collettivo Freudiano
können Frontpatienten bisher noch zu Wort kommen. Diesmal zum Intellektuellen
und zur Kunst. Frontpatienten aus der Patientenfront (PF): Gründerwurzel
des gefällten, entgegen anderslautenden Mitteilungen nie verbotenen
Sozialistischen Patientenkollektiv (SPK).
Iatroklasie, selbst gewählt, nach Iatrokratie (1976) und Iatrarchie (1977) legt Prinzipielles dar. Die Experimentaleinstellung Thermomimetik bringt den Intellekt auf die Erde zurück, wo er herkommt (Intellurekt) und verabschiedet die Kunst (Bildung, Staatskunst und Euthanasie gleichermaßen), mit dem Arzt, der abgedankt hat, endgültig. Neuzufassen waren vor allem massen-theoretische und anthropologische Grundlagen ... Von den Somatothermen zum unwerten Leben unterwegs. |
Armando Verdiglione |
Mit "Aggression" hat Iatroklasie überhaupt nichts zu tun. Aus Behandlungszimmern, Kabinetten und Studios aller Art und aus Lateinbüchern stinkt Aggression nicht nur zum Himmel, sondern rassenhygienisch. Dagegen Iatroklasie: die Intelligenz der allen gemeinsamen Erde, die Intelligenz der Dummen , die älteste und jüngste, ihr Intellekt, die ruchbar gewordene Auseinandersetzung im Tellurischen! Intelligenz ist Intellurenz. Als magen- und erdumwälzende Revolution, pathomagischer Infektionsprozeß, steht sie der Kernverschmelzung am nächsten, zur Aggressionspolitik aber außer Verhältnis.
Also nochmals gut überlegt: nur die entera encephala, Kopf und Bauch sind inter-legens. Sie sind es noch bei überfülltem Bauch, noch zwischen den Mahlzeiten, sogar zwischen den Zeilen und gelegentlich gegen den Strich. So zwischen mesencephal und mesenteral kurz: inter-lektual leckt der Geschmack, der gute. Denn "der Kopf ist die Kühlmaschine des Bauches" sagt Aristoteles, der Beste. Der lesende Intellekt aber hat die venia legendi lediglich für den Treibsand, die Nebenerscheinungen der iatroklastischen DEliranz. Im inter-legalen Zweifelsfall der Legalität, d.h. im Normalfall wird er sogar medico-legal. Der Intellekt ist entweder Iatroklasie oder Selektionstherapeut.
Nein, kein zurück zur Natur. Keinerseits. Das Heil ist übersinnlich, daher narbenrein. Narbig wäre es tönern irden, Terra = Dörre. Die Narben sind immer auf Seiten der Dummen und Schwachsinnigen, gewiß, und Dummheit und Schwachsinn sind ihrerseits Narben. Das macht sie so intellektuell, so unterirdisch. Kurz: intellurent.
Was wir einleitend festhalten wollten, ist nur dies: Narben sind erstens die Zukunftspropheten der Dummen, künftige Wetter, Erdbeben und Schlagwetter vorwegnehmend und zweitens sind Narben die Abgründe unserer anamnestischen Geistesblitze. Dies vorweg.
Wir wissen nicht erst seit gestern, welche Absichten hinter der "Hörigkeit" steckten, mit der Ärzte die erste Totalzertrümmerung aller Arzt-Patientenverhältnisse fachfremd aber rechtspflegend sprachregelten: 20 Jahre Gefängnis mangels besserer Insektizide (SPK, 1970).
Kein Rezept, aber Herstellungsformel: Prinzip Iatroklasie, Erde und Massen über Ansteckung kurzgeschlossen. Genaugenommen eine weitverzettelte Webweise, keine Formel, schon garnicht im Sinne des tellexitur, kurz: Textur der anschlaganzettelnden Lateinbuchhumanisten.
Die klassische Formel der Massenansteckung ist durch die Krankheitswirklichkeit (seit SPK 1971) überholt , die sie arztfrei nicht fassen kann.
Prinzip Iatroklasie entstehen Massen als Körper, der die Arztsache der Zeugung und Ernährung, den ganzen platonischen Nährstand, Lehrstand samt Wehrstand im vollendenden Entstehen das heißt im tellonischen triumphal abstößt.
Im System der massentheoretischen Konstitutionsformel
aus Gesundheit, Versöhnung und Familie, überhaupt in der ganzen
Politik, ist Krankheit nicht drin.
Die Ansteckungsangst der Wohltemperierten
politisiert die Fiebrigen auf Schritt und Tritt. Womit wohl? Mit Gesundheit!
Iatroklasie der Arch-iatrie sogar, und steinerweichend dazu: Mineralien als Viren, Viehzeug und Kleinstgemüse als Bakteriengattungen und -stämme kommen hinzu, sind da, legen los, spalten ent-zwei, denn die Wärme geht durch und durch, übersehbar, überhörbar, aber ansteckend.
Alle im Umkreis von Krankheit empfangenen und ausgesandten erogenen Halbheiten, will sagen: Zeichen, wie Ekel, Schmerz, Gestank, Anklage und Klage wirken als Keime der thermomime-tischen Dynamik in Richtung auf das iatroklastisch zu machende Gattungsindividuum, machen wärmefühlig und benommen, intellurekt, schmieden ein Körperschema, das aus Massen besteht, und massenhaft entsteht. Das Wärmeschema der schwerelosen Verkörperung. Ein riesiger Schwebekörper, aber nur gleich dem der winzigen Viren und Bakterien in situ, in den Eingeweiden. Prototypischer Intellurekt, zugleich iatroklastisches Antibiotikum aller Typen und Modelle.
Aber wie ist Iatroklasie möglich bei immer mehr Mißbildungen, Behinderungen und Störungen, wie paßt das zusammen, wie verträgt sich das? Sollen uns die Zurückgebliebenen am Ende gar als Vorbilder dienen? Geronnene Iatroklasie? Wir, Kunstprothesen aus Ärztehand, die Monster?
Wer so fragt, fragt nicht. Der lebt davon. Und meist nicht schlecht.
Die Wärme lebt weder von der Liebe, noch vom Liebesentzug, auch nicht vom Mitleid, schon garnicht von der Luft und vom Wind, den die Liebe mit Leid macht, und der Liebe zuliebe. Die Wärme zehrt von der Gestalt, wie jede Krankheit. Ihr Lebensmittel ist das Leben der Iatroklasie in jeder Art Abfall und Wohlgestalt.
Krankheit ist nicht nur dialogisch und dialektisch entzugsstabil, sondern sogar sagenhaft stabil im Strafvollzug und dabei reale Ansteckung, wie sonst nur noch der Mythos, das zündende Lauffeuer. Nahrungsentzug, Hunger und Durst zehren nur von der Gestalt, nicht etwa von der Substanz Wärme, die mitteilende Zustandsweise hat die Gestalt gegen sich, die Proportion (s.u.), nicht aber die Kälte, nicht einmal portionsweise.
Prinzip Iatroklasie sind alle Antworten und natürlich auch alle Systeme der Produktion, Reproduktion und Exkretion epoché, d.h. ausgelöscht. Sogar die harmlose Frage als Frage nach der guten Verdauung und ihrer Lehmgestalt, bei der Sonntagsvisite auf der Privatstation, die Frage nach dem vorletzten Golem, fällt unter die hermeneutischen Windspiele. Der sogenannte Körper des seligen Herrn Gerichtspräsident SCHREBER, Gestalt nach wie vor, natürlich auch. Prinzip Iatroklasie ist die Frage, streng wissenschaftlich als Frage erfragt, entweder triebhaft-mythoman-wärmespezifisch, oder se-Lektion, se-lektive Iatroinquisition. Auf Hölle, Heil und Krematorium kommen wir füglich weiter unten zurück.
Die prinzipielle Frage nach dem Iatroklastischen: Prinzenschaft, Prinzessinnen und Prinzen betreffend, evoziert den Schwebekörper aus Wärme, Mimesis und Massen. Jedenfalls weder den weltlichen, noch den Hofnarren Gottes, weder August noch Hiob. Denn diese unsere Prinzenschaft ist der Gestalt abhold, und zwar prinzipiell. Wir können unsere Prinzenschaft demnach überall und nirgends vermuten, am allerwenigsten aber in der Gestalt und ihren Sachwaltern: den Arché-iatern in jedweder Kulturgestalt und Prinzerei. Unsere Zumutung besteht darin, die Wärme bis zum fiebrigen Umbruch zu steigern, weit über die jeweilige Gestalt hinaus. Sogar die Starre muß frei sein von der Gestalt, mindestens aber mißgestaltig, niemals totenstarr, zur Not sardonische Grimasse.
Unsere Prinzenschaft, Kader, Helden und Avantgarde, wenn man will, besteht aus den thermomimetischen Monstern, denen, die das Fassungsvermögen des Zentralcomputers übersteigen, erst recht die Vorstellungskraft des Steckbriefs. Der mythomane Fragetrieb denkt also, sofern ausnahmsweise überhaupt, jedenfalls nicht daran, die Prinzenschaft von den Massen zu sondern. Weil er krankhaft ist, zehrt er sehr selbstvergessen von und an allen Formunterschieden, schmilzt ein und um, und was dasselbe ist: zehrt auf, vergißt die Antwort, will in der Frage bleiben, bis zum Überkochen, antwortet nicht, verantwortet, prä-zisiert das ANDERS dem So-Sein zum Trotz.
Wärme ist nicht nur infrarot. Sie ist sogar die Iatroklasie gegen alles Außenlicht. Fleischfarben wie der hitzige Erdkern aus Nickeleisen, kältefeindliches Inkarnat, funkelndes, oszillierendes Fleisch, das mit den Querstreifen am Herzen und das glatte im Bauch, das sein Licht selber erzeugt und verbreitet. Kein Bildschirm, kein Kathodenstrahloszillograph macht es dingfest. Tellurischer, aus sich selbst leuchtender Körper, der sich von aller Gestalt befreit: iatroklastischer Intellekt.
Er ist dauernd auf der Walz und in Dauerumwälzung.
Den imagepflegenden, wie den kalorienbewußten Gesundheits-bürgern ist er ein Alarmsignal, den Politikern ein bislang noch erschwinglicher Preis-für-den-Fortschritt, den Ärzten Anlaß genug, eine Euthanasiekampagne nach der andern vom Stapel zu lassen, WFMH-Stil: meuchlings, per Schleichwerbung, darum hier Klartext: man muß sie kaltmachen, denn erstens sind sie teuer, und zweitens Ungeheuer.
Wer ist "sie"? Zuallererst sind es diejenigen, die nichts zu bieten, nichts zu verbreiten haben, außer einem Klumpen Schmelzwärme, kaltgestellt als Brownsche Molekularbewegung, die Mißgeburten, Monstren, Mißgestalteten, Dysplastischen, eben diese Grobschlächtigen, vom sog. iktaffinen, hinfälligen Konstitutionstyp. Die mit den zwieschlächtigen Dimensionen halt, die mit den Riesengeschwülsten über dem Hinterteil, die mit dem hirnlosen Froschkopf, die mit zuviel Hand und Fuß, zu wenig und ohne, die Wasserspeier, Mongoloide und Siamesen usw., kurz: alle diejenigen, deren erdwarmen Intellekt der Name Mondkalb vergessen machen soll. Gar nicht so altem Erfahren zufolge bringt sogar der intelligenteste Humanismus, der humanistische Intellektuelle den eben skizzierten, wie gesagt kuhwarmen Intellekt mit allem eher, als mit der Erde in Zusammenhang. Am wenigsten natürlich mit sich selbst, am ehesten mit Dreck.
Diese Gewißheit, als Mechanismus betätigt, ist das anekelnde Auswendige, der auswendende Schmelztiegel aller Gestalten, Sinne und Bedeutungen, Wägbarkeiten, Aus- und Einrichtungen, Symmetrien und Metriken überhaupt.
Der Wärme geht alles ab. Nicht nur Gewicht und Gestalt, Proportion, Funktion und Struktur. Fachärzte gibt es für Wärme nicht. Ansonsten für alles. So Logopäden, Optiker und Otologen, Dermatologen und Seelenärzte, Internisten und Externisten, Balneologen und was alles noch, aber die Wärme, gar als Fieberfanal, ist befreiter Körper. Nichts mit Sinn und Verstand, brotlos, nichts für einen Facharzt, aber Symptom für alle, Allerweltssymptom.
Den Wärmezustand vorausgesetzt, sind alle Körper eins, magischer IN-FORMationszusammenhang, Form und Gestalt weggeschmolzen, krank in Sympathie. Den Wärmezustand vorausgesetzt, sind Erd- und Himmelskörper, die warmen und die kalten kohärent ein einziges Flächenkontinuum, expandierter, ausgebreiteter Erdzusammenhang: gründlichster Intellekt, der vergessene Riesenteller, dessen Bestimmung eben nicht das Essen, sondern das Vergessen des Soseinmüssens ist, gewiß, und sträflichster Leichtsinn, das heißt überhaupt kein Sinn, keine Sinne, Gewissen der Sympathie als Krankheitsgewißheit gegen die jeweilige Gestalt.
Der Punkt ist der, daß er im wärmedurchsetzten Körperkontinuum nie Mittelpunkt, geschweige denn Schwerpunkt sein kann. Er ist der dauernde Verlauf in die exzentrischste "Mißgestalt" , überhaupt keine Gestalt, überhaupt kein Punkt, sondern tellus. Ebenso kann der Intellekt, allein schon der Wärme wegen, nie und nimmer auch nur das Geringste mit Konzentration, Zentralität und dergleichen zu tun haben. Er ist nicht einmal zerstreut, sondern multifokale Expansion, krumm und krank wie die "Mißgestalt", Faltenduplikatur, symptomatisch Doppelfalte, nicht Einfalt, tellus im Umbruch.
Der wirkliche Inhalt und die volle Konkretion aller bisherigen Ausführungen und Zusammenhänge, leicht gesagt und leicht gemacht und gesagt-wie-getan, heißt Thermomimetik. Formlos, da schwebend in Halt, wirklich Inhalt, volle Konkretion, da ganz Symptom Wärmezustand; statt Libido, hin und her, dann und wann, ratenweise, Nullsummenspiel.
Das Ganze nun von der Thermomimetik her aufgerollt ist das, was In-formierter tellekt war, hier nur noch telos, Ende. Endzweck ins Anders einzumünden. Nicht mehr entelechie-Intellekt, sondern direkt intellurekt. Direkt das Stück Wärme, das wir im Großen und Ganzen sind, verkörpert thermomimetisch den iatroklastischen Dauerprotest gegen die Arché in allen und jedem.
Ganz im Einzelnen erfaßt man die Thermomimetik ganz einfach dadurch, daß man sich erst einmal dafür erwärmt. Es genügt nicht, sich über dies und jenes zu erhitzen. Genaugenommen macht sich über Thermomimetik keiner ein Bild.
Für das Anders taugte sogar das Infrarot-Nachtsichtgerät erwiesenermaßen noch nicht einmal in der Indizienkette gegen Frontpatienten (SPK 1972).
Probeändern aber ist Thermomimetik in jedem Fall. Sonst war es keine.
Dies unterscheidet sie nebenbei grundlegend von der lediglich wiedererkennenden, daher bestenfalls probehandelnden, d.h. warentauschenden Intelligenz. Was für die Intelligenz die Stimme ist, das ist die Wärme für die Iatroklasie. Das tertium comparationis aus Intelligenz und Stimme ist das äquiValent, die gleichgültige Gesundheit im Ausdruck von Ausgewogenheit, gutem Ton, Stimmung und sogar Übereinstimmung (adaequatio rei et intellectus), Richtigkeit und Vertikalität: der Ordinarius am Krankenbett, und der pithekanthropos erectus auch, ein Ahnherr, wenn's recht ist.
Bei der Thermomimetik aber ist das Anders. Kein tertium, kein comparationis. In der Wärme ist das Äußerste an körperlicher Spannung, Anspannung der gestaltfreien Verkörperung im Ganzen, gespannter Dampf, Spannung, tonos überhaupt. Der Ton erstirbt in der Wärme, Klang und Sprache ebenso. Die Stimme verliert die Balance im Glissando, die Unstimmigkeit chromatisch versammelnd, klagend, heulend, brechend, wie das Auge das Licht. Die Stimme des Kranken krächzt, die Lage wird auf wie ab flach, die Ansteckung breitet sich aus, gewinnt das Ausmaß über Tiefe, Breite, Länge und Punkt hinaus.
Die Gleichgültigkeit (Äquivalenz!) kann gründlich nur von der Wärme her in Frage gestellt werden, gründlich, redundant tellurisch, redundant aller sonstigen Geologie und Informatik zum Trotz. Denn die räumlichen Beschränkungen sogar, sind thermomimetisch materialiter auflösbar in die materielle Kohärenz des Anders. Die Wärme dementiert alle Dimensionen und führt uns das sagenhaft Anders im Aus-maß (excess) vor: die prinzipielle Möglichkeit, auch den Sprachzusammenhang, die chaotische Kohärenz, Babel, aktiv in der mitteilenden und der mitgeteilten Breite des iatroklastischen Patientseins real aufzulösen, unbehindert durch Gestalt und Form. Es gibt nur die thermomimetische Transsubstantiation. Der Rest ist Quecksilber, Thermometer und Zündhütchen, Initialzündstoff aller Quacksalber. Aber es kann die Wärme nicht halten, nicht aushalten.
Muß man sich nicht augenblicklich dafür erwärmen, wie sie sich, Spott und Hohn in jeder Mißgestalt, dennoch verkörpern demonstrativ jenseits der Gestalt, dämonstratifizierende Wärmewolke, Stoff dieser Erde aber kohärent, en-tellurisch kohärent, nicht wahr? Man muß! Nur hat man früher nicht die Wärme bemüht, nicht diesen erscheinenden tellurischen Zusammenhang, der noch dazu den Vorteil hat, daß es ihn tatsächlich gibt, sondern vielmehr entweder die Hölle tief unter der Erde oder aber das Hygiene-Krematorium, Flamme empor.
Thermomimetik schlägt demnach in Technik um, in Pyrotechnik? Ach wo. Nur das EinzelDing der Unendlichkeit (Individuum, Dyade Arztpatient), dessen Bedingung ja der Imperativ, das kategoriale "man muß" ist (das "recipe (man nehme!)"). Die Bestimmung, Imperativ und Kategorie haust, wie schon der Name sagt in der Stimme. Die Hölle kommt aus der Stimme, und aus der imperativen Stimme kommt auch ganz bestimmt das Hygienekrematorium: NAME IST SCHALL UND RAUCH und NOMEN EST OMEN. (Nähere Auskünfte bei Ärztekammer, Goetheinstitut und Kabbala, sodann bei Dichtern und Mathematikern.)
In der Stimme ist noch längst keine Wärme, noch längst keine Kälte, geschweige denn Schmelz. Weder mechanisch, noch metaphorisch. Gleichgültig, ob sie, als Stimmbandapparat, bewegt auf der Stelle tritt und sei es sogar tremolierend und Vibrato oder, gespenstiges Echo, hallend von und zwischen Urzeit-Felsblöcken den Arzt zitiert, wie weiland Mose seinen TELLO und O-Desdemona im Schlafzimmer den ihrigen.
Das was die Stimme ist, auf der Stelle der ewige Rückschritt, dreht sich um zwei Pole, um zwei Namen in jeder Gestalt: ARZT und ARCHÉ.
Ideeller Massenkünstler ausgerechnet der Abspaltung und materieller Gesamtarbeiter ausgerechnet der Simulation und Archefiktion!
Die reine Arché, temperaturfrei und daher total, bleibt immer Fiktion. Die Kluft zwischen Arzt und Arché deshalb unüberbrückbare Dichotomie, er selber als Virtuose der Lebenslüge ständig gefordert; die "Dienstleistung" sein Illusionisten-Werk, die Lege-artis-methode sein allgegenwärtiges Alibi, beide die Lückenbüßer dessen, was beim Künstler Image heißt. (Image wie Einbildung, Serienprodukt aus Echo - Narziß & Goldmund: wie Liebe-entzug & usw.)
Formsache ob künstlerisches Brillantfeuerwerk oder Euthanasie-Pyrotechnik. Hauptsache kaltgestellt, oder vielmehr in den Zusammenhang Arché, der keiner ist, weil es die nicht gibt.
Ganz im allgemeinen geht es bei all dem überhaupt nicht um den Körper. Es gibt ihn nicht als Einzelnen. Der einzelne "Körper" ist nur Gestalt, vereinzelte Lebensgestalt zu mehreren, mit Hab und Gut, mit Sitz, Geist und Stimme. Gestalt auch als halbe Portion Eros. Gestalt auch noch mit Haut und Knochen. Stückwerk.
Der Körper aber ist eine heiße Sache. Wir finden ihn leicht in der Krankheit, nirgendwo sonst.
In jeder Gestalt stört heute die Krankheit die Wärme weltweit massenhaft auf. Askese und Ritual, überhaupt das ganze technische Arsenal des mythischen Experiments, einschließlich des Bildungsbetriebs bis heute, sind durch Krankheit überholt. Die iatroklastischen Konsequenzen sind probeändernd direkt zu ziehen. Das Bewußtsein ist nur der schwächste Abglanz der durch und durch ärztlich gestalteten Reproduktionssysteme aus Luft, Nahrung, Keimbahn überhaupt. Zwar ist Krankheit ubiquitärer Ausnahmezustand, prozessierende offene Grenze. Aber die freie Wärme aus der Krankheit, die Kollektive körperlich intensiviert, steigert, verkörpert, ist zum wichtigsten Arzt- und Staatsgeheimnis aufgerückt. So vielgestaltig wie die Blutzellen, so vielgestaltig beispielsweise die Blutkrebse. Rund um die radioaktive Lichtgestalt beispielsweise. Aber unbekümmert um Licht, Krebs und Ich-Gestalten ist dem Körper nur die Wärme unveräußerlich. Sie hebt ihn kohärent über jede Gestalt und körperlich spürbar über sich selbst hinaus. Also thermomimetisch.
Thermomimetisch erschließen wir uns das substantielle Kriterium (atomon "eidos", die "differentia" specifica) des Gattungsindividuums, das wir eingangs aus dem Zusammenhang Ansteckung heraushoben. Denn es kann dabei nie und nimmer um Bestimmungen und Gestalten gehen, und Reproduktionen als da sind: "Denkendes Wesen", "Erfüllungsort der Widersprüche", "das Tier, das versprechen kann", "Mangelwesen", "aufrechter Zweifüßler", "zoon politicon", "exzentrische Positionalität mit der Fähigkeit zum Lachen und Weinen". Das Gattungsindividuum wird aktive herstellende Wirklichkeit am gestaltlosen Schema seines Massenkörpers.
Es gibt keine Starre in der Wärme, das macht sie uns so spezifisch. Ihr Erdzusammenhang ist unmittelbarer, magischer Art, nicht pyrotechnischer, nicht Arztart. Das macht uns den Sinn so leicht, so gewiß das Gewissen. Das Gattungsindividuum ist eine hier und heute, jederzeit und überall machbare Beziehung, die es aber nie und nirgendwo gibt, wo sie nicht aus der Krankheit hervorgebracht wird.
Leben und Tod sind Allerweltsbestimmungen,
kein
Kriterium Wärme. Vielleicht Kunstfehler, jedenfalls Gestalt, nicht
Körper. Die Arché ist das unerreichbare Ufer des Arztes. Schlimm
genug für die Kunst. Um so schlimmer für den Arzt.
PF/SPK(H)
Huber
1979