Aktionen und Präsenzen
(Warum? Wo? Wodurch?)
Eine Betreuerin wollte Frau Ch. aus der ihr vertrauten Wohngegend herausreißen, weil diese in ihrem berechtigten Widerwillen Unterstützung erhalten hatte von Frontpatienten des SPK/PF(Ö). Die Betreuerin hoffte, mit Frau Ch. leichteres Spiel zu haben, wenn diese isoliert ist. Sie sollte zig Kilometer entfernt in einem Heim untergebracht werden. Mit Unterstützung des SPK/PF(Ö) reichte Frau Ch. den nachstehenden Antrag beim zuständigen Gericht ein. Ziel war, das Gericht möge der Betreuerin den Zwangs-Umzug verbieten. Am Mittwoch, den 1. April 1998 sollte der Zwangsumzug stattfinden. Freitag, den 27.3.98, als der Antrag kam, hatte das Gericht zu (vorverlegtes Wochenende). Erst am Montag der folgenden Woche (30.3.98) hat das Gericht geruht, den Antrag entgegenzunehmen. Die Frontpatienten erkundigten sich am Dienstag und Mittwoch bei der bisherigen Unterkunft nach Frau Ch. Sie wurden versuchsweise mit der Lüge hinters Licht geführt, Frau Ch. sei spazierengegangen und deshalb nicht zu sprechen. In Wirklichkeit hatte die Betreuerin bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Der Umzug hatte schon stattgefunden. Allerdings, Sieg der Kraft aus der Krankheit: das Gericht mußte sich der Pathopraktik beugen und per Urteilsbeschluß Frau Ch. wieder an ihren geliebten alten Wohnplatz zurückkutschieren und alles wieder rückgängig machen. Frau Ch. lebt heute wieder in dem ihr vertrauten Wiener Bezirk, in welchem sie auch ihre sozialen Kontakte hat und viel Gelegenheit, sich nützlich zu machen.
Der vorliegende Eilantrag wird durch persönlichen Überbringer dem Gericht unterbreitet.
Betr.: Drohender zwangsweiser Umzug am 31.03.1998
Es wird beantragt zu entscheiden
Die Entscheidung der Sachwalterin Frau Dr. Ingeborg Reuterer,
wonach die Unterzeichnende, Frau E. Ch., am 31.3.98/ 1.4.1998 in ein Heim
außerhalb der Stadt Wien umziehen soll, ist aufgehoben.
Hilfsweise wird beantragt, zu entscheiden
2. Die Entscheidung der Sachwalterin ist mit sofortiger Wirkung
ausgesetzt bis zur rechtskräftigen Überprüfung der Entscheidung
der Sachwalterin durch die Gerichte.
Weiterhin wird beantragt zu entscheiden
3. Die Unterzeichnende kann weiterhin in ihrer bisherigen Unterkunft
wohnen bleiben.
Hilfsweise wird beantragt, zu entscheiden
4. Die Unterzeichnende kann in ihrer bisherigen Bleibe solange wohnen
bleiben, bis eine angemessene Unterkunft in demselben Bezirk der Stadt
Wien gefunden ist.
Weiterhin wird beantragt,
das Gericht möge rechtzeitig sämtlichen Beteiligten (Sachwalterin,
verantwortliche Personen bei der bisherigen Unterkunft, verantwortliche
Personen bei der in Aussicht genommenen Unterkunft ab 1. April dieses Jahres)
Mitteilung über die Gerichtsentscheidung in vorliegender Angelegenheit
machen.
Begründung:
Gerade für ältere Leute ist es von nicht zu unterschätzender
Wichtigkeit für ihr leibliches, affektives, geistiges und soziales
Wohl und Wehe, daß sie in einer ihnen vertrauten Umgebung sind. Dort
haben sie ihre sozialen Kontakte, dort gehen sie ihren Interessen nach.
Dort kennen sie sich aus und können regen Anteil nehmen am alltäglichen
und am sozialen Leben.
Werden Leute in eine andere Umgebung verbracht, so ist es gerade für
ältere Leute ein Problem, daß sie in einer ihnen zunächst
völlig fremden Umgebung sich neu zurechtfinden müssen.
Es ist allgemein bekannt, daß sogar bei Leuten, egal in welchem
Alter, die aus eigenem Entschluß einen Umzug vornehmen,
es zu einer vorübergehenden schweren Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens
kommen kann. Die Ärzte bescheinigen nicht selten in dergleichen Fällen
eine sogenannte reaktive, exogene, das heißt durch äußere
Umstände hervorgerufene, „Umzugsdepression“. Die Unterzeichnende ist
lebensfroh in ihrer bisherigen Umgebung, weiß sich zu helfen, weiß
sich zu interessieren, weiß sich zu beschäftigen. Soll ihr das
genommen werden? Die Sachwalterin hat doch von Gesetzes wegen die Aufgabe,
all dies zu fördern und nicht, das alles durch Zwangsmaßnahmen
zu zerstören!
Ist schon ein freiwilliger Umzug eine schwere Belastung, die auf sich
zu nehmen Leuten abgeraten wird, wenn sie zum Beispiel sonstige Belastungen
durch Veränderungen wie Prüfungen oder Arbeitswechsel vor sich
haben, so ist ein Zwangsumzug um so mehr eine schwerwiegende Beeinträchtigung
und ein schwerer Eingriff in das leibliche Wohlbefinden der Betroffenen.
Dies gilt darüber hinaus in verstärktem Maße bei älteren
Leuten, die sich in ihre bisherige Umgebung „eingewöhnt“ haben. Es
gibt dazu sogar ein - etwas unangemessenes - Sprichwort: „Einen alten Baum
verpflanzt man nicht“. Nicht etwa, daß die Unterzeichnende mit einer
Pflanze gleichgesetzt werden könnte. Aber wenn sogar Pflanzen, die
per definitionem nur vegetieren, es schlecht vertragen, wenn man ihnen
einen Ortswechsel aufzwingt, soll die Unterzeichnende durch die Gewaltmaßnahme
der Sachwalterin eigentlich dazu gebracht werden, daß sie noch unter
das pflanzliche Vegetieren gedrückt und unterdrückt werden soll?
Gerade bei älteren Menschen, bei denen gern von „altersgemäßen
Abbauprozessen“ gesprochen wird, ist ein Umzug in eine fremde Umgebung
ausgesprochen kontraindiziert. In der ihr vertrauten Umgebung hat die Unterzeichnende
ihr Gewohntes, dort kennt sie sich aus, dort ist sie nicht fremd, dort
fühlt sie sich nicht fremd. Dort ist es ihr leicht, sich zurechtzufinden,
wodurch die ansonsten so oft zitierten „altersgemäßen Abbauprozesse“
kompensiert werden können. „Die Gewohnheit ist der Mechanismus des
Selbstgefühls, wie das Gedächtnis der Mechanismus der Intelligenz.“
(G.W.F. Hegel). Dies ist für die Orientierung und das Wohlbefinden,
auch das Selbstgefühl, gerade bei älteren Menschen, wie gesagt,
besonders wichtig. Zugleich ist in der vertrauten Umgebung eine viel bessere
soziale Einbindung gegeben.
In einer fremden Umgebung liegt erst einmal zwangsläufig der (Not-)Fall
vor, daß man sich in der neuen Umgebung zurechtfinden muß,
was nur langsam und allmählich vor sich geht und wodurch man gezwungen
ist, die ganze Kraft auf den Umgewöhnungs-, Umorientierungs- und Eingewöhnungsprozeß
zu richten, womit jeglicher darüber hinausgehenden interessierten
Teilnahme am alltäglichen äußeren Geschehen allein schon
dadurch Aufmerksamkeit und Kraft entzogen sind. Man ist auf das Allernotwendigste
und Allereinfachste zurückgeworfen. Alles was darüber hinausgeht,
muß zurückgestellt werden. Die dadurch erzwungene, weil kräftesparende,
ständige Gleichförmigkeit aber stumpft jegliches darüber
hinausgehende Interesse ab, ja tötet es ab. Das Interesse ist aber,
ganz allgemein und grundsätzlich, um nicht zu sagen philosophisch
gesprochen: ein inter-esse, ein Sein, das (tätig, aktiv) bezogen ist
auf anderes, also auf die Umgebung. Wird das Interesse abgewöhnt und
erschwert, stumpft man ab in Gewohnheit, bis man sich schließlich
jegliches Interesse am Außen völlig abgewöhnt hat, sich
höchstens noch, wenn überhaupt, in seinem eigenen Körper
zuhause und nicht fremd fühlt, sich in seinen Körper einhaust.
Fehlt aber die interessierte Teilnahme am äußeren Geschehen,
gewöhnt man sich vor lauter Gewohnheit schließlich paradoxerweise
auch noch zugleich etwas ab, nämlich das Leben, das wesentlich nicht
ein totes Sein ist, sondern ein lebendiges Inter-esse-Sein, ein tätiges
Bezogen-sein auf anderes und auf andere: „Die Gewohnheit des Lebens aber
ist der Tod“ (G.W.F. Hegel).
Nicht selten ist ein Umzug in eine völlig fremde Umgebung sogar
eine lebensgefährliche Gefahrensituation. Nicht wenige ältere
Leute sterben innerhalb der ersten 3 Wochen nach der Einlieferung in ein
ihnen fremdes Heim, ohne daß eine sonstige unmittelbare Ursache für
ihren plötzlichen Tod gefunden werden kann.
Der Richter kann solchem unverantwortlichen Tun von Frau Dr. Ingeborg
Reuterer nicht tatenlos zusehen. Er hat die Kontrollpflicht und die Verantwortung,
dieser Kontrollpflicht zum Wohl der Unterzeichnenden umfassend und rechtzeitig
nachzukommen und korrigierend einzugreifen.
Es werden daher nochmals die eingangs gestellten Anträge wiederholt.
Das Gericht möge rechtzeitig und antragsgemäß entscheiden,
bevor nicht wieder rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen
sind.
Von der gerichtlichen Entscheidung sind alle Beteiligten unverzüglich
zu informieren.
E. Ch.
Mitteilung vom MFE Spanien:
Einer, der nach seinem Deutschland-Urlaub zurück nach Spanien
kommt, wird gefragt: „Was hört man von der PATIENTENFRONT in Deutschland?“
Antwort: „Nur Gutes. Ich war in der ehemaligen DDR, den so genannten Neuen
Bundesländern, und in der alten Bundesrepublik. Ich war bei den verschiedensten
Leuten. Die sagten: Die PATIENTENFRONT hat einen neuen Klassenbegriff.
Der stimmt.“