Das Geheimnis der Krankheit ist die Menschengattung

Aus einem spontanen Telefoninterview.
Fragen eines US-Amerikaners an KRANKHEIT IM RECHT über: Was ist Gattung? Wie sieht die Anwendung des Krankheitsbegriffs in eurer täglichen Arbeit aus? (ins Deutsche zurückübersetzt)

Zu Ihrer Frage nach unserer Auffassung von Krankheit als Gattungsausstand: Wir denken, daß es bei den Tieren deren Gattung schon gibt. Die Gattung der Tiere ist Realität für die Tiere und sie leben innerhalb ihrer Gattung. Aber was die Menschheit betrifft, gibt es aus unserer Sicht noch keine Gattung Mensch. Die Gattung gibt es nur als deren Fehlen, in Form der Krankheit, so wie sie, die Krankheit jeden Tag gesehen wird, aber wie sie gewöhnlich nicht verstanden wird. Die menschliche Gattung gibt es noch nicht, sie gibt es nur als Mangel der Gattung. Und dieses Fehlen kannst Du erfahren in Deinem Kranksein. Und wir denken nicht, daß man manchmal krank ist und manchmal nicht. Man ist nicht manchmal auch gesund, sondern Krankheit ist eine Bedingung für jeden, der auf der Erde lebt in der üblichen Weise. Dies ist sowohl philosophisch, als auch und vor allem ganz praktisch gemeint. In der Krankheit kannst Du die Erfahrung machen, daß Du als Einzelner keine vollständige Person bist. Es fehlt etwas. Etwas in Dir geht über Deine Einzelheit hinaus.

Die Krankheit als Mangel, "was fehlt Dir?", ist zugleich eine Verbindung zwischen Dir und anderen, eine Verbindung zwischen Dir und den Lebensverhältnissen, in denen Du lebst, und auch eine Verbindung zwischen Dir und dem Kosmos. Und da gibt es Einflüsse, aber dies erfährst Du meistens nur passiv. Aber wenn Du diese Beziehungen aktiv veränderst, kannst Du die Erfahrung machen, daß Du nicht abgeschlossen bist in den Grenzen Deiner Haut, sondern das Ziel der Menschheit oder von allen auf der Erde ist es, über sich hinauszuwachsen hin zu einer Existenz, die mehr ist als ein Einzelner innerhalb der Grenzen seiner Haut. Und diese Erfahrung, daß Du mehr bist als das, was innerhalb Deiner Haut steckt, Du bist auch Beziehung zu anderen, Beziehung zu Pflanzen, zu Steinen, zu allem was es gibt, und dies ist die Erfahrung in der Krankheit. Wenn Du lernst, davon Gebrauch zu machen, kannst Du es in Aktivität verwandeln, in eine Lebensweise, und dadurch ist die Kraft der Krankheit nicht gezwungen, beispielsweise Krebs in Deinem Körper zu erzeugen. Denn Du bist ja fähig oder imstande mit andern zusammenzuwachsen, mit andern zusammen in Richtung auf eine Verbindung auf andere Dinge hin zu wachsen.

Manche meinen vielleicht, ein Tier könne dieselben Krankheiten haben wie ein Mensch, Krankheit wäre beim Menschen nichts Spezifisches, nicht Gattungsausstand. Dies mag so scheinen. Es scheint aber nur so und der Schein trügt. Das Wesen der Krankheit bei Menschen ist total verschieden vom dem beim Tier. Der Hauptunterschied ist, daß nur Menschen sich zu Krankheit verhalten können, etwas bewußt tun können. Beides können Tiere nicht. Als ein menschliches Wesen bist Du fähig, nicht nur unter Krankheit zu leiden, sondern mit ihr zu arbeiten wie mit einem Werkzeug, aber es ist eine komplexere, auch schwierigere Herangehensweise, als ein einfaches Werkzeug zu betätigen, mit einem Hammer einen Nagel in die Wand zu schlagen.

Um ein Beispiel zu geben, wie das aussehen kann: Wir haben die 5 Momente des Krankheitsbegriffs.

Das erste Moment ist Entfremdung. Und Du kannst von diesem Moment der Krankheit Aktivitäten ableiten, beispielsweise wenn welche zu uns, zu KRANKHEIT IM RECHT kommen und mit uns sprechen, denken wir daran, aha, Entfremdung, erstes Moment des Krankheitsbegriffs: was müssen wir wissen, was müssen wir die Leute fragen, so daß wir imstande sind, ihre spezifische Weise der Entfremdung zu verstehen und daraufhin tätig zu werden.

Das zweite Moment ist Lohnarbeit, und wir denken daran, daß es sehr wichtig ist zu wissen, was einer arbeitet z.B. in einer Fabrik, im Unterschied zu dem, was ein Lehrer tut beispielsweise. Oder ob sie überhaupt keinen Arbeitsplatz haben. Denn dies alles ist wichtig, wenn man Krankheit verstehen will, die Besonderheit der Krankheit der jeweiligen Leute.

Das dritte Moment des Krankheitsbegriffs - das 1. war die Entfremdung, das 2. war die Lohnarbeit - das dritte Moment ist die Gattung, bzw. daß man gezwungen ist, gegen sich selbst und an sich selbst die Gattung zu sein. Dies ist etwas schwierig. Darüber kannst Du beispielsweise etwas nachlesen über Selbstbegattung bei dem deutschen Philosophen Hegel. Hegel hat etwas geschrieben über Gattung beim Menschen im Unterschied zum Tier. Und dort hat er geschrieben: Wenn es richtig läuft, stellst Du eine Gattung her, indem Du in tätiger Gemeinschaft mit anderen bist, die an Gegenständen oder Aufgaben arbeiten, die sie, die tätige Gemeinschaft, verändert auf ein Ziel hin. Dabei veränderst Du Dich kollektiv auch selbst. Aber dies ist nicht möglich unter kapitalistischen Bedingungen oder den Bedingungen von Iatrokapitalismus, weil die Ärzte die Leute einteilen in verschiedene Diagnosen und sie so voneinander trennen. Und so bleibt die Veränderung, die in der Krankheit steckt, beschränkt auf Dein Bewußtsein, auf Deinen Körper, statt daß die Krankheit der Antrieb ist, mit andern zusammen Veränderungen in der Welt zu bewirken.

Das bedeutet: Ein Teil Deines Körpers macht sich selbständig gegen den Rest Deines Körpers und Du hast beispielsweise Kopfweh oder andere Schmerzen. Und dann gibt es da eine Beziehung, eine zerstörerische Beziehung, aber auch einen Kampf, diesen Zustand zu überwinden. Und dann erzeugst Du z.B. Fieber. Und das ist der Wendepunkt. Denn nun ist nicht ein Teil Deines Körpers getrennt und gegen den Rest des Körpers aktiv, sondern der ganze Körper und das Bewußtsein ist mit diesem Fieberprozeß befaßt und in ihn verwickelt. Dadurch ist die Trennung zwischen dem verselbständigten Teil und dem Ganzen überwunden, dies ist es, was alles verändert und wodurch diese Art der speziellen Krankheit überwunden wird. Und diese Art des Krankheitsprozesses zeigt Dir in einer verkrüppelten Art und Weise wie der Herstellungsprozeß der menschlichen Gattung zu bewerkstelligen ist.

Die pathopraktische Art und Weise, die nicht verkrüppelte Weise dieses Prozesses wäre, daß Du zusammen mit anderen und alle in Gemeinschaften kollektiv Veränderungen in der Welt bewirken, sich bei diesen Aktivitäten auch selbst verändern. Und es ist nicht wichtig, wieviel das wert ist, oder ob Du etwas wert bist oder der andere. Es ist auch nicht das Wichtigste der Erfolg oder das Ergebnis, sondern das Tun als solches, das tätige Leben im Prozeß mit dem Außen. Dies war alles zum dritten Moment des Krankheitsbegriffs, Gattung oder Selbstbegattung.

Das vierte Moment des Krankheitsbegriffs ist Kapitalismus. Und wir sagen, in dem Maße wie die Leute Kapital schaffen, nicht Geld, sondern Mehrwert, in dem Maße akkumulieren sie Krankheit in der unbegriffenen Weise, wie Du das jeden Tag siehst. Je reicher sie an Werten werden, desto ärmer werden sie selbst. Denn das was Gattungskraft sein könnte, wird in Waren und Mehrwert verwandelt. Und so sagen wir, es gibt eine Identität zwischen Krankheit und Kapitalismus: in dem Maße wie der Kapitalismus wächst und wuchert und sich ausbreitet in die gesamte Gesellschaft und innerhalb jedes Einzelnen, genauso wächst Krankheit und wuchert. Aber normalerweise in zerstörerischer Form.

Das fünfte Moment des Krankheitsbegriffs ist der revolutionäre Prozeß und darin sind die anderen 4 Momente des Krankheitsbegriffs enthalten. Denn diese 4 Momente, Entfremdung, Lohnarbeit, Mangel an Gattung und Kapitalismus, muß man verändern innerhalb dieses revolutionären Prozesses zur Schaffung der menschlichen Gattung.

 

PF/SPK(H), 15.09.2014