Aktion des SPK auf einer Arbeitstagung der
Evangelischen Akademie in Arnoldshain
Arbeitstagung
für Mediziner, Sozialarbeiter, Psychologen, Pädagogen u.a.
der EVANGELISCHEN AKADEMIE in ARNOLDSHAIN
vom 18. bis 20. Juni 1971
in Arnoldshain / Taunus
Thema:
SELBSTVERNICHTUNG
Eine Antwort auf selbstvernichtende Lebensbedingungen in der Industriegesellschaft
TAGUNG ODER KAMPF ?
Zu dieser Tagung wurde auch das Sozialistische Patientenkollektiv an der Universität Heidelberg, und zwar dringend, eingeladen. Das fertige Programm lag der Einladung bei. Die Programmgestalter in Sachen Selbstmord haben vorsichtshalber das Sozialistische Patientenkollektiv nicht erwähnt. Es ist ihnen denn wohl doch zu hart am Produkt und man möchte ja schließlich unter sich sein, fernab vom Leichengeruch seine wissenschaftlichen Kreise ziehen. Dabei sind wir bestimmt die letzten, die Eure Kreise stören. Wir nämlich haben den Selbstmord überwunden. Unser Problem ist der Mord. Der nun wieder allerdings hat etwas mit dem Programm zu tun. Genau wie in Eurem Programm, genau so fehlt der Mord in jedem vom Kapital kommandierten Programm. Und dennoch sind alle dringend eingeladen
zum Mord auf Raten
zum Mord in Massen
zum Mord mit Maßen
zum verschleierten Mord
zum direkten Mord
zum perfekten Mord
zum Mord à la Monopoli
zum Mord à la Nixon
zum Mord à la Leber (Verkehrsminister)
zum Mord à la Rendtorff (Universitätsreaktor auf liberale Art)
zum Mord à la Hahn (ist auch nur ein Mensch: Kultusminister von Baden-Württemberg) ...
In Eurem Programm fehlen Patienten, also jene trotz Adolf Hitler immer noch ungeheuer weit verbreitete Sorte Unkraut, der man (die Mörder) so etwas (den Selbstmord) früher noch am ehesten zutraute.
Doch die Zeiten haben sich geändert: Da wir als Kranke weder Anspruch auf Recht (Schutz), noch Anspruch auf Behandlung (Leben), noch Anspruch auf Räume (Organisation) haben, bleibt uns keine andere Wahl, als die Machtfrage schon jetzt zu stellen.
Unsere Frage an Euch lautet daher:
Steht Ihr auf der Seite des Mordes oder wollt Ihr mit uns die Macht über den Mord stark machen?
Es kostet Euch nur Eure Zustimmung
oder Ablehnung.
Einen anderen Beitrag zu Eurem Thema Selbstmord gibt es nicht.
Heidelberg, den 18.06.1971
SOZIALISTISCHES PATIENTENKOLLEKTIV
an der Universität Heidelberg
Zur Tagung in Arnoldshain
Zitat aus dem Tagungsprogramm: "Aufgabe dieser Tagung soll es sein, immer frühere Glieder in der Ursachenkette der Schädigungen bis zum Herd dieser das menschliche Leben zerstörenden Krankheit aufzufinden – der Weg dorthin wird vom suizidgefährdeten Individuum in seine private und schließlich in seine gesellschaftliche Lebens- und Arbeitswelt führen, deren jeweils pathogene Grundstrukturen aufzudecken sind. ..."
Also wie richtig erkannt, die Dialektik von Individuum – Gesellschaft aufgreifend, vom Besonderen zum Allgemeinen, die ja in Wechselwirkung stehen.
Diesen Weg wollen wir konsequent durchgehen. Jeder krankhafte Zustand, jedes Symptom hat das suizidale, d.h. das selbstzerstörerische Moment an sich. Ob einer an einer Schrumpfniere, Herzinfarkt oder durch Aufschneiden der Pulsadern verreckt, kommt auf das gleiche heraus. Die Ware Mensch stellt eine Einheit von Leben und Tod – im Kapitalismus von in sich gebrochenem Leben, d.h. Krankheit – dar.
Leben ist Bewegung. Die Trennung von Bewegung in sich widersprechende Einzelmomente, z.B. in sogenannte Psyche und Soma, widerspiegelt den Grundwiderspruch von Lohnarbeit und Kapital, der alle Lebensbereiche, also auch das Bewußtsein, das Denken, bestimmt.
Ein 35-jähriger Patient leidet seit sechs Jahren an ständigem Harndrang bei gleichzeitiger erheblicher Erschwerung des Wasserlassens, begleitet von heftigen Schmerzen. Internisten verordnen krampflösende Mittel. Ohne Erfolg. Chirurgen greifen zum Messer und führen eine Phimose-Operation durch. Ebenfalls ohne Erfolg. Urologen stellen eine "Harnröhrenverengung" fest und bougieren (erweitern die Harnröhre). Klang der Bougiereffekt ab, so stellte sich die Verengung von neuem ein. Der Verlauf sieht dann so aus: durch ständiges Harnverhalten entstehen Blasen- oder Nierensteine und diese führen schließlich zur Schrumpfniere, also zum endgültigen Tod. Von der Mutter war zufällig zu erfahren, daß der Patient mit eineinhalb Jahren schon trocken war, worüber die Mutter sehr stolz war. Warum mußte er so früh trocken sein? Manche werden sagen: Sauberkeitsfimmel der Mutter. Und worauf ist dieser Sauberkeitsfimmel zurückzuführen? Geht man auf diese Frage ein, so landet man notgedrungen beim Privateigentum, beim Fetischcharakter der Ware; kurz – bei den kapitalistischen Produktionsverhältnissen, die die Wirtschaft an profitbringenden Schwerpunkten fördern, den Menschen dabei zerstören.
Spätestens seit Marx ist es bekannt, daß der kapitalistische Produktionsprozeß ein Destruktionsprozeß ist. Nicht die Bedürfnisbefriedigung der Individuen bestimmt die Produktion, sondern bestimmend sind allein der Bedürfnisbefriedigung entgegengesetzte Profitinteressen, Kapitalakkumulation. Also abstrakter Reichtum. Dieser produziert wiederum Bedürfnisse, die jedoch notgedrungen nicht Leben erhaltend, sondern Leben vernichtend sind. Sie stellen nur Abfallprodukte der mörderischen kapitalistischen Mehrwertproduktion dar. In diesen Produktionsverhältnissen produziert der Einzelne nicht für sich, sondern gegen sich. Er ist täglich einer gebremsten Vernichtung ausgesetzt.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, ist hier folgendes vorauszuschicken: Krankheit ist nicht etwa der Gegensatz von gesund, sondern von Leben. Gesund ist eine Bezeichnung der Herrschenden, die nichts weiter besagt, als daß die Symptome so gelagert sind, daß der Kranke sich reibungslos in den Ausbeutungsprozeß einfügt. Heilung ist dann der Prozeß der Entfremdung, Enteignung der Krankheit, und gesund sein heißt, lebendig tot sein.
Krankheit ist Voraussetzung und Resultat der kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Krank sind diese widersprüchlichen, in sich gebrochenen Verhältnisse. Folglich ist alles, was sie produzieren – und sie produzieren alles, nichts steht außerhalb des Produktionsprozesses – krank.
In der BRD verfügen 3 % der Bevölkerung (= Klasse der Ausbeuter) über das Gesamteigentum der Bevölkerung. Im Besitz von Wenigen ist dieses Gesamteigentum somit Privateigentum. 97 % der Bevölkerung (= Klasse der Ausgebeuteten) sind objektiv total enteignet. Das Wenige an sogenanntem Privateigentum, das den Einzelnen umgibt, gehört ihm nicht. Es kann jederzeit konfisziert werden.
Um die Aufrechterhaltung dieser kannibalistischen Produktionsverhältnisse zu garantieren, muß die Ausbeuterklasse die Entlarvung dieser Verhältnisse um jeden Preis – also um den Preis von Menschenleben – verhindern. Diese Aufgabe erfüllen die verschiedenen von den Herrschenden eingerichteten Institutionen. Familie und Schule (Erziehung), Kirche (Religion) und Massenmedien vermitteln eine Ideologie, die nicht nur die Verhältnisse total verschleiert, sondern darüber hinaus noch dem Einzelnen sich ein fiktives ihm gehörendes Privateigentum einbilden läßt, über das er "in seinem und im Interesse der Gesellschaft" verfügen könne.
Sickert der Grundwiderspruch (= Krankheit) trotz dieses massiven Ideologiepanzers in Form von gehemmtem Protest (= Symptome) durch, so greifen die entsprechenden, dafür bestimmten Institutionen ein, um diesen Protest aufzufangen und im Sinne des Kapitals zu verwerten, d.h. zu töten: Polizei, Armeen, Justiz, Medizin, Verwaltung, Sozialarbeit etc.
Die kapitalistische Gesellschaft ist die entfaltetste Form der Herrschaft-Knechtschaftsverhältnisse = Ausbeutungsverhältnisse. Voraussetzung und Resultat der Ausbeutungsverhältnisse ist die private Aneignung der Produktionsmittel, also Privateigentum.
Die Wesensbestimmung des Privatbesitzes ist die Akkumulation desselben. Im Kapitalismus ist es das Kapital. Akkumulation ist nach Quantität ausgerichtet und löscht somit jegliche Qualität aus. Die Qualität der Befriedigung schlägt durch die, alle Bedürfnisse bestimmende Quantifizierung in ihr Gegenteil um. Stets somit unbefriedigt und objektiv Besitz (Kapital) nicht akkumulieren könnend, von dieser Akkumulation jedoch bestimmt, sammelt der Ausgebeutete Dinge um sich. Diese machen seinen eingebildeten Privatbesitz aus. In Wirklichkeit häuft er damit nur seine vergegenständlichte Arbeitskraft um sich, also seine eigene Vernichtung.
Dieser eingebildete Privatbesitz wird zum Fetisch. Über den Zusammenhang von Ursprung der Familie und Privateigentum ist bei W. Reichs "Einbruch der Sexualmoral" und F. Engels' "Ursprung der Familie" nachzulesen.
Im anfangs angeführten Beispiel sieht es dann so aus: Vom eingebildeten Privateigentum bestimmt, muß die Mutter unter anderem auf die Kleidungsstücke ihres Kindes bedacht sein. Werden sie naß, verschmutzen sie und gehen eher kaputt. Der Mutter als erster Vermittlerin der herrschenden Ausbeutungsverhältnisse ausgeliefert, mußte der Patient seine Harnröhre verengen.
Symptome sind mit einem Leidensdruck verbundene Erscheinungsformen der gesellschaftlichen Krankheit im Einzelnen. Obwohl gesellschaftlich produziert, werden sie individuell verwaltet oder angeeignet, d.h. der Kranke kann sie selbst nicht in den Zusammenhang stellen; sie sind ihm zugleich fremd. Im Zusammenhang gesehen sind die Symptome aber Protest gegen die kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse. Protest, weil sie einen, wenn auch ohnmächtigen Versuch, aus dem vernichtenden Produktionsprozeß herauszufallen, darstellen. Der gesellschaftliche Zusammenhang produziert die Symptome aber gerade als zusammenhangslos, isoliert, individuell – d.h. der Protest ist gehemmt – also gegen den Kranken selbst gerichtet.
Beim erwähnten Patient schlägt der Protest auf die Harnröhre, weil er diesen Mechanismus am besten kennt.
Der Einwand, daß aber keineswegs jede Krankheit gesellschaftlich bedingt oder verursacht sei, sondern es gäbe bestimmte natürliche Bedingungen für Krankheit, die gesellschaftlich nicht zu lösen seien, ist leicht zu erledigen. Denn:
Daß bestimmte Erscheinungsformen des Lebens in den herrschenden Verhältnissen krank genannt werden, ist in der ökonomischen Struktur dieser Verhältnisse begründet und ist abhängig von der Verwertbarkeit des Einzelnen. Daß er also aus der Gesellschaft herausfällt, ist nicht von der Natur, sondern vom Kapital gegeben.
Nicht nur Körper und Denken sind vom Kapitalismus total bestimmt, sondern die Existenz jedes Einzelnen selbst ist Ergebnis ökonomischer Bedingungen. Schon vor der Geburt ist jeder Produkt des Kapitals.
Der Suizid ist nur die extremste Äußerung des gehemmten Protests. Der kapitalistische Produktionsprozeß ist durch den Widerspruch von kollektiver Arbeit und Privateigentum an Produktionsmitteln bestimmt. Progressiv ist die Seite der vergesellschafteten Arbeit. Reaktionär die der privaten Aneignung der Produktionsmittel. Herrschen tut die reaktionäre Seite. Privateigentum isoliert die Individuen, indem es die Konkurrenz an sich hat. "Das bloß atomistische Verhalten der Menschen in ihrem gesellschaftlichen Produktionsprozeß und daher die von ihrer Kontrolle und ihrem bewußten individuellen Tun unabhängige, sachliche Gestalt ihrer eigenen Produktionsverhältnisse erscheinen zunächst darin, daß ihre Arbeitsprodukte allgemein die Warenform annehmen." (K. Marx, Kapital)
Die Ware ist bestimmt durch den Tauschwert. Der Tauschwert ist quantifizierte Arbeitskraft. Da die kapitalistische Produktion eine Warenproduktion ist, ist Wert im Kapitalismus somit quantitativ und nicht qualitativ bestimmt. Alle Produkte, Menschen also auch, besitzen im Kapitalismus Warencharakter.
Durch Konkurrenz vereinzelt, durch die quantifizierenden kapitalistischen Wertgesetze in Minderwertigkeitskomplexe verfallen, den Gesamtzusammenhang durch die ständige Verschleierung durch die herrschenden Institutionen nicht begreifend, bleibt der vereinzelte Protest des Kranken gehemmt. Der wird, solange er Einzelner bleibt, in die Selbstzerstörung, in den Selbstmord getrieben. Selbstmord ist somit gleich Mord. Die Mörder sind die Kapitalisten und ihre Handlanger in den herrschenden Institutionen.
Zitat aus dem Tagungsprogramm: "Über eine kritische Auswertung der im 1. Hauptteil gewonnenen Ergebnisse Wege zu bedenken, auf denen Therapie wie Prophylaxe der suizidalen Erkrankung in ihrem engeren wie weiteren Vorfeld effektiver, weil ihrem Herd näher, erfolgen können als bisher. Dies wird Aufgabe aller Teilnehmer der Tagung je in ihrem Arbeitsfeld sein, denn: Wie der, der am Leben verzweifelt, genauer gesehen an einer Gesellschaft verzweifelt, die ihm menschliches Leben verweigert, so ist jeder, der Leben erhalten will, vor die Aufgabe gestellt, an seinem Ort sich daran zu beteiligen, diese Gesellschaft so zu verändern, daß sie menschliches Leben möglich macht."
Das Profitinteresse der Kapitalisten ist maßgebend für den Produktionsprozeß. Dieser Prozeß ist bestimmt vom Grundwiderspruch von Lohnarbeit = Mehrwertproduktion und Kapital = Mehrwertkonsumption, zwecks Profitmaximierung. Die Krankheit resultiert notwendig aus diesem Widerspruch. Innerhalb dieses Kontexts hat der Einzelne nur die Möglichkeit ("Freiheit") seine Arbeitskraft zu verkaufen und während dieses Prozesses seine eigene Vernichtung zu erwerben. D.h., der Mensch ist im Produktionsprozeß selbst schon zur Ware geworden.
Für die Herrschenden gilt nur, die Ware Arbeitskraft so billig wie möglich einzuhandeln (Ausbildung), sie so lange zu reparieren und funktionsfähig zu halten (Gesundheitswesen), so lange sie Mehrwert schafft, bis sie endgültig im Verschleißprozeß vernichtet wird. Das Kapital setzt den Kreislauf der lebensvernichtenden Produktion und der Einzelne produziert ihn immer von neuem. Die Krankheit ist also gleichzeitig Resultat und Voraussetzung für die Erhaltung der herrschenden Verhältnisse. Macht sich der Ausgebeutete das kranke Leben in diesem Zusammenhang bewußt, d.h. begreift er seine Krankheit als Protest und Hemmung des Protests, muß er erkennen, daß er sich als vereinzeltes Individuum nicht gegen die Vernichtung wehren kann, und, ob er sich nun verkauft oder sich weigert, ihr früher oder später zum Opfer fällt. Um den qualvollen Tötungsprozeß abzukürzen, bleibt somit nur der Selbstmord = Mord (ja ursächlich bedingt vom Kapital). Objektiv ist der "Selbstmord" die Aufhebung der gebrochenen Wirklichkeit, die sich in gebrochenem Leben des Einzelnen widerspiegelt. Der "Selbstmörder" tötet sich selbst als Handlanger des Kapitals und handelt demzufolge ganz im Interesse der Herrschenden.
Soll die Zielsetzung der Kranken, nämlich "die Bewußtmachung der pathogenen gesellschaftlichen Lebensbedingungen und Angriff auf sie" nicht ohne Konsequenzen bleiben, so muß die Bewußtmachung notwendig damit verbunden sein, daß, um tatsächlich eine Veränderung der objektiv lebensvernichtenden Verhältnisse herbeizuführen, alle Kranken = Ausgebeuteten sich organisieren müssen, um ihre Vereinzelung durch solidarisches Handeln aufzuheben – und krank sind alle, also auch die Anwesenden – und damit als Kollektiv ihren Protest nach außen richten und so die zur Kontrollierung der Mehrwertproduktion eingesetzten Institutionen anzugreifen. Die Bewußtmachung, verbunden mit dem kollektiven Protest und dem daraus resultierenden zielgerichteten kollektiven Angriff, wird bereits im SPK praktiziert. Die Aktionen, die sich aus dem kollektiven Protest ergeben, zielen auf die Abschaffung des Kapitals und damit auf die Aufhebung der lebensvernichtenden Verhältnisse. Jede andere scheinbare Möglichkeit, die nicht auf die Abschaffung der herrschenden Produktionsbedingungen abzielt, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt und kann keine Veränderung herbeiführen. Krankheit erzeugt die subjektive Notwendigkeit, den Leidensdruck durch ursächliche Bekämpfung der Krankheit aufzuheben.
In der Praxis sieht das folgendermaßen aus:
Da wir uns als Produkt der herrschenden Verhältnisse begreifen, reproduzieren die organisierten Kranken (Patienten) zunächst eine zentralistische Organisation in Form der noch notwendigen Fortsetzung des Herrschafts-Knechtschaftsverhältnisses, konkret im Arzt-Patient-Verhältnis. Der erste Schritt zur Bewußtmachung des kranken Seins und Bewußtseins ist die Objektivierung der totalen Determiniertheit der Menschen in ihrer verdinglichten ökonomischen Beziehung untereinander. Indem sich Arzt und Patient als Objekt begreifen, machen sie sich gleichzeitig das bestimmende Kapital und die daraus entstehende wechselseitige Beziehung von Kapial und Krankheit zum Objekt. In diesem Prozeß macht sich der bewußt Leidende zum Subjekt und erkennt im Kampf die einzige Möglichkeit, die mörderischen Produktionsbedingungen abzuschaffen.
Der Prozeß der Bewußtwerdung der ökonomischen Zusammenhänge kann nur wirksam in der Agitation betrieben werden. Der erste Schritt also zur Aufhebung der Bestimmung Ware des Objektes Mensch ist die Agitation im Objekt-Objekt-Verhältnis. Indem man sein Objektsein (= erste Negation) zum Objekt macht (= Negation der Negation) wird man zum Subjekt. Die herrschende Gewalt, die gehemmte, selbstzerstörerische Gewalt = Krankheit produziert, wird im Verlauf der Agitation freigesetzt und schlägt um in Gegengewalt. Erst die Aufhebung der hierarchisch strukturierten Abhängigkeitsverhältnisse und die kollektive Erarbeitung und Sozialisierung von Theorie und Praxis auf dem Hintergrund des dialektischen Materialismus kann zur politischen Identität jedes Einzelnen und des Kollektivs führen. Nur so wird solidarisches und konsequentes revolutionäres Handeln möglich.
Die im SPK organisierten Patienten haben begriffen, daß sie nichts zu verlieren haben als ihre Hemmung, nichts zu verlieren als ihre Freiheit, sich ausbeuten, unterdrücken und schließlich umbringen zu lassen.
Aus der politischen Identität, d.h. der Einheit von Bedürfnissen und politischem Kampf, des Einzelnen und des Kollektivs resultieren notwendig die Kampfmaßnahmen gegen die mörderische Herrschaft. Auf die gezielten Aktionen eines Kollektivs von bewußt Leidenden können die Herrschenden nicht mehr in adäquater Weise reagieren. Ihre Liquidierungsversuche durch Herausgreifen Einzelner, um die Selbstorganisation zu zerstören, bleiben unwirksam und entschleiern vollends den Mechanismus, durch den der Vernichtungsapparat funktioniert.
Die permanente begriffliche Erarbeitung der Verhältnisse, der daraus resultierende Kampf gegen die herrschenden Institutionen, die sich allesamt am kapitalistischen Produktionsprozeß = Destruktionsprozeß orientieren und zwecks Erhaltung desselben eingesetzt sind, führen so notwendig zur gewaltsamen Umwälzung dieser Verhältnisse, und keine Reaktion der Machthaber vermag die Revolution der Kranken aufzuhalten.
Reformen in irgend einer "Wissenschaft", feed-back-Methoden etc., führen zu keiner Veränderung der mörderischen Gesellschaft. Nur der solidarische, revolutionäre Kampf gegen das totale System führt zur Abschaffung des kranken = toten Lebens.
Allein in diesem Prozeß können die Verhältnisse geschaffen werden, die es den Menschen ermöglichen, sich selbst und somit ihr Tun zu bestimmen und darin ihre Befriedigung und ihr Einssein mit den selbstgeschaffenen Lebensbedingungen zu finden.
SOZIALISTISCHES PATIENTENKOLLEKTIV
an der Universität Heidelberg
Die Lage der Welt ist Krankheit.
Was tun?
Der vollständige Krankheitsbegriff
Was wir bis jetzt revolutionieren wollten?
Antwort: Die Revolution ab unseren allerersten Anfängen und bis zur Stunde
PF/SPK(H), 13.08.2014