Was hat die Kraft aus der Krankheit zu tun
mit Berufsrevolutionären mit und ohne Anführungszeichen?
Den folgenden Brief haben wir erst mal in französisch geschrieben, und zwar
am 12. Juni 1996 von KRANKHEIT IM RECHT, an die französische Gruppe
Spartakistenfront, die uns seit längerem beim Vertrieb unserer Bücher in
Frankreich unterstützt. Unabhängig von neuen französischen Spartakisten gibt es
in Europa auch noch Spartakisten aus den Zwanziger Jahren. Wie die heutigen in
Frankreich, verstanden und verstehen auch sie sich als antikapitalistisch. Mehr
noch: die alten verstehen sogar uns. Eine Frau ließ uns am 20.05.1996 folgendes
mitteilen: "Wolfgang [SPK/PF(H)] hat nicht nur Marx und Engels weiterentwickelt;
der Kampf gegen den Kapitalismus hat dadurch neuen Biß bekommen, der
antikapitalistische Kampf hat endlich Zähne bekommen dadurch." Diese Frau war im
KZ. Trotz fortgeschrittenen Alters hat ihre Betätigung in KZ-Komitees neuen
Aufschwung bekommen, seit sie durch uns
die wirklichen Verursacher des Nazi-Regimes kennengelernt hat, nämlich die
Ärzteklasse als Verursacher ihrer damaligen Teilnahme am bewaffneten Kampf und
die Katastrophe des gescheiterten Spartakistenaufstands. Andere Inhalte, andere
Sorgen? Das scheint nur so auf den ersten Blick. Jedenfalls sind die
Notwendigkeiten noch allemal dieselben, wenn nicht sogar stark angewachsen. Nun
zur Rückübersetzung unseres Briefs an die französischen Spartakisten von heute.
16. Juni 1996
Liebe Genossen, lieber M.,
wie wir erfuhren, hat die Pariser Buchhandlung Parallèles inzwischen alle 5 Exemplare von SPK - Aus der Krankheit eine Waffe machen* ausverkauft. So wäre es sehr nützlich, wenn Ihr ihnen 5 weitere Exemplare vorbeibringen könnet, wieder mit Rechnung, wie letztes Mal. Vielen Dank!
* unsere Ausgabe in französisch: SPK - Faire de la Maladie une Arme, 1995
Beigeschlossen findet Ihr ein Informationsblatt, das der Buchverteiler Zambon
über die Texte von SPK und PF auf italienisch gemacht hat - nur falls Ihr
Genossen in Italien kennt, die Ihr vielleicht informieren wollt.
Zusätzlich schicken wir Euch die in Assemblea und
Invarianti enthaltenen
Schlußfolgerungen seit 1984 über SPK/PF(H)*. Nur der vorliegende Text in dieser
Form (Resumee) stammt von Wolfgang Huber, und der erwähnte Bücherverteiler
Zambon hatte bei uns darum nachgefragt. Einer von Euch hatte angeboten, diesen
Text ins Französische zu übersetzen. Schickt uns dann bitte diese Übersetzung
nochmal vorbei, per Fax oder als Brief.
* abgedruckt in Patientenstimme Nr. 3, Seite 49
Dieser Text kann Euch eine Hilfe sein, den Unterschied genauer zu fassen, der zwischen SPK/PF(H) besteht und Gruppen, die beispielsweise immer mal wieder auf der Suche sind nach Literatur (darunter auch unsere!), die es möglich machen soll, "den Marxismus mit der Psychoanalyse zu verbinden" und dergleichen mehr, wobei es sich um Gruppen handelt, die mit revolutionärer Krankheit nichts zu tun haben wollen, und ebensowenig damit, den Marxismus weiterzuentwickeln, bzw. das, was sie so nennen, geschweige denn damit, den Mythos Psychoanalyse zu knacken, einen Mythos, der mit Revolutionärem absolut nichts zu tun hat, nicht einmal auch nur der Absicht nach, indem ja sogar schon ein Wilhelm Reich es verboten hat, die Medizin anzugreifen, ganz zu schweigen von einem Freud, C.G. Jung, Fromm usw. Desgleichen handelt es sich ja bei den "Antipsychiatern" immer und allemal noch um nichts anderes als um Psychiater. So beispielsweise Laing, der seinen Status als Psychiater lebenslang verteidigt hat, so beispielsweise ein Szasz, auch so ein berühmter "Antipsychiater", der in keiner Weise in Wirklichkeit auch nur gegen die Psychiatrie ist, geschweige denn gegen die Medizin. Wofür er tatsächlich "kämpft", das ist für die (iatrokapitalistische) Narrenfreiheit, und wogegen er damit tatsächlich kämpft, das ist gegen die revolutionäre Patientenklasse.
Ein Amerikaner hat geschrieben, daß auch das SPK/PF(H) Bücher geschrieben hat, und mehr davon und wichtigere, als all diese anderen, wobei die vom SPK/PF(H) aber erst getan haben und tun, worauf es ankommt, und dafür auch schreiben, ganz im Gegensatz zu den andern, bei denen das Tun ersatzlos entfällt. Das ist der Unterschied. Die andern haben ihre Bücher veröffentlicht gegen die Gesellschaft, und blieben dabei in ihren cabinets sitzen (cabinet französisch für Kabinett und Scheißhaus) und blieben auf ihren Pöstchen sitzen (profession), beredt und zum Teil sogar fast wortgewaltig Klage führend über die kranke und arme Gesellschaft, die einfach krank und arm macht. Aber einzig SPK/PF(H) hat mit dieser Gesellschaft gebrochen und sich von dieser iatrokapitalistischen Gesellschaft befreit. Sie sind darüber hinausgegangen und haben diese Gesellschaft hinter sich gelassen und sie in den Abgrund geschmissen. Selbst wenn nur sie allein es waren, die das geschafft haben, dann haben sie sich dabei jedenfalls weder von rechts, noch von links beirren lassen. (Soweit der Amerikaner, und wir kommen auf ihn nochmals zurück.) Für uns selbst bleiben unsere Schriften das Werkzeug, mit dem wir uns erhalten, was wir erreicht haben, und mit dem wir die herrschende Klasse zerschlagen. Für die Leser wäre es schade, wenn sie darin nicht mehr angekündigt und zu sehen bekommen als linke Lesebücher. Wer nur Lesebücher will, hat reichlich Gelegenheit, sich im Gesamtwerk des beispielsweise Jacques Lacan zu bedienen (Studenten haben sich immer wieder beschwert, die höchst komplizierten Bücher des Jacques Lacan seien einfach zu unverständlich. Er selber war so eitel, daß er jede Unterschriftenliste für null und nichtig erklärte, wenn die Unterschriftensammler es vergessen hatten, auch und gerade um seine Unterschrift nachzukommen. Dafür hatte er aber empfohlen - seine "Bescheidenheit" -, seine Bücher doch einfach nur zu kaufen und sie als Lesebücher ganz einfach eben nur zu lesen; denn daß jemand das verstehe, darauf komme es ihm zunächst und überhaupt erst mal gar nicht an). Mit unserer Bescheidenheit hingegen steht es so, daß wir auch mit diesem berühmten Psychoanalytiker und Philosophen nicht einmal in Sachen Bescheidenheit wetteifern wollen, und auch sonst in keinerlei Hinsicht. Dessenungeachtet: über die Toten nur Gutes (de mortuis nil, nisi bene), insbesondere auch in Sachen Bescheidenheit.
Der amerikanische Autor hat weiterhin ausgeführt, daß die Erfahrung von SPK/PF(H) den Beweis erbracht hat, wie man jahrzehntelang existieren kann, ohne sich mit "Problemen" wie AIDS, Allergie, Grippe, Krebs, Beinbruch und dergleichen zu beschäftigen, weil dies alles ja Formen der Krankheit sind, denen man wirksam und realitätsändernd außerhalb der Medizin und ohne Medizin und Therapie entgegentreten kann. Auf dieser Grundlage seiner Ergebnisse könne SPK/PF(H) auch eine solide Basis für alle anderen Widerstandsbewegungen abgeben, weil keine einzige Bewegung außerdem auch nur halbwegs vollständig ist, geschweige denn irgendwelche Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, wenn diese Grundlage und ihre theoretische Aufarbeitung darin nicht Hauptsache ist, nenne sich diese Bewegung nun antirassistisch, antikapitalistisch oder feministisch (antipatriarchal).
Was den Marxismus als weiterzuentwickelnden betrifft, legen wir Euch noch ein taufrisch neues Ergebnis bei, das aus Vietnam und Kuba stammt, wo man sich mittlerweile ebenfalls mit unserem Thema beschäftigt hat (vgl. übernächste Seite). Wir sind dabei der Ansicht, daß sogar die Berufskader des Marxismus-Leninismus gut und gern auf alle psychoanalytischen Lügen (mythes) verzichten können, daß sie aber eine neue Revolutionstheorie um so nötiger haben, und zwar nicht zuletzt im Hinblick auf die zu unseren modernen Zeiten gehörende Krankheit, die es ja auch und nicht gerade zuletzt maßgeblich gerade auch für sie und (sei es als Importware) bei ihnen gibt.
Ginge es nur darum, Marxismus und Psychoanalyse zu verbinden, dann bedürfte es dafür lediglich eines Autors, eines Forschers, sei er Kommunist, Professor, Anarchist, Pfarrer, Frau oder Mann. Hätte ein solcher dann sein Werk verrichtet, dann könnte er umstandslos ins Gegenteil konvertieren, ja, er könnte sogar Plan und Projekt (den Marxismus mit der Psychoanalyse zu verbinden) der Einfachheit halber schon aufgeben, bevor er auch nur einen Finger dafür krumm gemacht hat. Für den Fall jedoch, daß er Patient ist, Patient, der seine Krankheit politisiert, dann nützt ihm aller überlieferter Marxismus, alle vorgefundene Psychoanalyse absolut nichts, nicht einmal dann, wenn er etwa mit Hilfe eines Chirurgen sich geschlechtsumwandeln läßt, oder auch nur seine Meinung ändert. Aus dem SPK hingegen sind Exempel von Beispielen hervorgegangen, daß man dabei nicht darum herumkommt, von Anfang an ein für alle Mal alles zu riskieren (bürgerliche Arbeitsstelle, bürgerliche Existenz, bürgerliche Freiheit, Frieden, Lebensperspektive, kurz: alles);
Horkheimer, Jude und US-Bürger, der nach seiner Rückkehr aus dem Exil
wieder Leiter des Instituts für Sozialforschung und Rektor der Frankfurter Universität
wurde, sagte im Jahre 1934:
Die revolutionäre Karriere führt nicht über Bankette und Ehrentitel, über interessante
Forschungen und Professorengehälter, sondern über Elend, Schande, Undankbarkeit,
Zuchthaus ins Ungewisse, das nur ein fast übermenschlicher Glaube erhellt.
was man dafür aber gewinnt, ist die kollektive Befreiung, ein für alle Mal und immer wieder, den ganzen iatrokapitalistischen Dreck loszuwerden, eine Befreiung, die tagtäglich und bis in die Träume hinein lebenslang wiedererkämpft werden muß. All die anderen aufgezählten bürgerlichen Sachen kann man loswerden, aber niemals eine Politik, die auf Krankheit gegründet ist. Sogar ein Schmalspur-Rapportierer von der Heidelberger Universität kam nicht umhin, darüber Rechenschaft zu geben, denn er mußte seinen jungen Lesern ja das Warum erklären, nämlich warum die Behörden einst gerade wegen SPK/PF(H) so sehr ans Zittern gekommen sind, und warum sie bis heutigen Tags dafür noch keine Endlösung gefunden haben. Der Journalist mußte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß die Behörden ja schon in den 70ern alle Mittel zur Verfügung hatten, um Anarchisten zu jagen, Faschisten, Nazis und Radikaldemokraten. Aber das SPK mit seiner Krankheit war und blieb eine allzeit unliebsame Überraschung, war ihm doch weder mit Waffen, noch mit Geld, noch mit Arzneimitteln, noch mit Behandlungsmethoden beizukommen, ja nicht einmal mit der Genetik; denn sogar diese scheitere am vollständigen Krankheitsbegriff (SPK), dem die Genetik bislang auch keinen noch so engen Krankheitsbegriff entgegenzusetzen habe, und solange niemand wisse, wie das auch nur möglich sein solle, bleibe der Genetik jede ethische Grundlage entzogen. Soweit ein Münchner Ethikprofessor, neulich. Was uns betrifft, so kotzt uns jede medizinische, jede philosophische oder andere Ethik an. Niemand sollte jemals in die Lage kommen, zwecks Hilfe oder Unterstützung ausgerechnet auch noch von Ethikern abhängig zu werden. Statt dessen: weitermachen oder anfangen, SPK/PF(H) zu machen, Iatroklasie!
Sollte dieser Französisch-Text nicht gut in französischen Ohren klingen, so sind wir dessenungeachtet sicher, daß sein Sinn niemandem entgeht, daß niemand seinem Sinn entgeht. Desgleichen sind wir sicher, daß es solchen Sinn in jeder Sprache gibt, von allem genetischen und völkermörderischen Unsinn mal abgesehen (nicht erst seit gestern in jeder Sprache zuhause und auch sonst schon heimisch und Heimsuchung in jedem Haus).
Wie schon telefonisch erwähnt, sind es derzeit hauptsächlich spanische Genossen, die gegen die Genetik vorgehen wollen. Zu diesem Thema und zum Thema SPK/PF(H) wollten sie von uns deshalb auch eine Tonbandkassette. Wie sie uns mitgeteilt haben, soll diese Kassette* noch diese Woche über ein Radio in Barcelona in Sendung gehen.
Aus Krankheit Stark!
Krankheit im Recht Huber
Beilagen: 3
P.S.: Diesen Brief könnt Ihr selbstverständlich auch öffentlich verwenden, wo es gerade paßt.
* Die Radiosendung in spanischer Sprache ist inzwischen auf Kassette beim KRRIM - PF-Verlag für Krankheit erhältlich (Titel: „Radiosendung des SPK/PF(H) aus und für Spanien Juni ‘96“)