Aktionsbeschleunigung statt Therapie
Die PATIENTENFRONT ist weit vorgedrungen über das SPK hinaus und ganz anders als im SPK in die juristischen Bereiche. Sie bekämpft die Ärzteherrschaft nicht mehr als den Dachverband einer provinziellen schwäbischen Landesregierung, sondern an der Basis, nämlich dort wo die Gene sind, wo das Machen der Menschengattung durch Frontpatienten gegen Ärzte steht. Gegen die Genetik des Völkermords, gegen die völkermörderische Genetik in einem iatrokapitalistischen Profitsystem das, anders als es sich Marx auch nur träumen lassen konnte, die Gesellschaft weltweit spaltet in die Klasse der Ärzteherrschaft mit ihren Anhängseln als Medizinal- und medizinalisierte sonstige Gesamtfabrik und in die Krankheit, die als Patient dem allem so bewußtlos ausgeliefert ist wie weiland die ersten Industriearbeiter ihren Unternehmern und Gönnern im Manchester-Kapitalismus. (...)Andere Stimme: Hunderte halfen uns durch ihre persönliche Anwesenheit und auch sonst nach besten Kräften. Hunderte aus allen Bevölkerungsschichten. Und Tausende weltweit, die darüber etwas in der Zeitung gelesen hatten. Und manche haben uns ausdrücklich wissen lassen, daß sie das ausschließlich der Krankheit wegen tun, für die wir eintreten, gegen diejenigen in Medizin und Behörden, die eben der Krankheit wegen gegen uns sind. Ist das der Ausdruck politischer Unreife der Massen, die von rechts her jederzeit politisch wieder vereinnahmbar seien? Sieht das aus nach Nazis und Faschisten? Oder sind das alles Krüppel, die sehnlichst auf den ärztlich-arischen Herrenmenschen warten, dessen wohlverstandenes Mitleid darin besteht, sie alle schleunigst um die Ecke zu bringen und zwar aus wohlverstandenem Mitleid in deren eigenem Interesse? Ich für meinen Teil halte sie alle für die einzig zuverlässigen Herrschaftsgegner der Zukunft. Herrschaftsgegner einfach deshalb, weil sie für Krankheit eintreten und wissen warum und gegen wen. (...)
Andere Stimme: Sag doch noch ein Wort zu den Gruppenagitationen.
Andere Stimme: Ja, das ging wie durch Zauberschlag. Wir dachten, Kapitalismus ist was ganz Großes und das ganze Ärztezeug was ganz Mickriges. Wir alle haben erbittert argumentiert und gar nicht gemerkt, daß wir vom Thema, dem Huber-Hungerstreik, dem Anlaß des ganzen Zusammentreffens total abgekommen waren, bevor das überhaupt angefangen hat. An dieser Sache – Ärzteherrschaft, Iatrokratie – hat sich alles polarisiert. Erst ein Riß, dann der totale Bruch in der Gruppe. Wir waren da schon öfters gemeinsam auf Demos gewesen. Magengeschwüre und Kopfverletzungen hätten sie aus ihren Auseinandersetzungen mit den Bullen davongetragen. Und die würden sie nicht uns anvertrauen, also der PATIENTENFRONT, sondern ihrem Arzt. Und überhaupt kein Vertrauen hätten sie da zu uns. Und darin waren sich alle einig, daß heißt also: der kleinere Teil derer, die damals mit uns gebrochen haben.
Sie schleichen noch heute herum mit ihren Magengeschwüren usw. Und weder die Polizei noch der Arzt scheint da was genutzt zu haben. Grund? Denen war das Risiko zu groß in der PATIENTENFRONT. Folgt auf dem Fuß: wer nichts riskiert, wird angeschmiert und operiert. Wir unsererseits kommen mit unseren diversen Allergien, Grippen, Schnupfen und sonstwas ganz gut klar. Und jedenfalls nach wie vor immer ohne Arztschein, ohne Krankschreibung, ohne Rezept.
Andere Stimme: Und unter den dreien aus dem SPK war keiner Mediziner, Heilpraktiker oder wenigstens Therapeut oder Psychologe oder sonst irgendwas?
Andere Stimme: Zufällig nein. Das kann also jeder, auch das muß festgehalten werden. Es steht ja alles in den SPK-Schriften, worauf das beruht und warum das wirkt. Wer das für medizinischen, juristischen oder politischen Fachkram hält, versteht natürlich immer nur Bahnhof, wenn er im Lexikon blättert. Und auch das kommt vor. Uns hinwiederum sind die Schriften und die Äußerungen sonstiger ja auch total unverständlich. Wenn Du da nach der Sache und nach Dir selber suchst, die gar nicht drin sind, dann findest Du ja den Anfang nicht und kannst buchstäblich nichts damit anfangen, ehrlich nicht, ehrlich unverständlich. Aber davon war ja schon die Rede und darum geht es ja hauptsächlich.
Andere Stimme: Nochmal zu den Gruppenagitationen, Einzelagitationen und Arbeitskreisen. Könnt ihr das abgrenzen von Therapie?
Andere Stimme: Es ist Aktionsbeschleunigung. Katalyse durch Katalysatoren, nennt man das in der Chemie. Agitation spaltet rückläufige von vorwärtstreibenden Prozessen ab, die sie neu zusammensetzt. Therapie dagegen ist: Anpassung, Stillstand und Rückschritt, Stase, ja sogar Selbsthemmung, Katastase, Autokatastase, Sakra Stasi, jetzt hab ich’s: das ist die Heilung, die Therapie, falls jemand was an Fremdworten liegt. Aber noch die ganz Alten, die so alt sind wie die Esoterik und der Volksaberglaube, verstanden unter Heilung und Therapie und unter dem Heiligen überhaupt, schlichtweg nichts anderes als die Befreiung. Das ist heute die Revolutionierung von Teilen einer Gesellschaft, ein sozialrevolutionärer Vorgang, unsere Genetik, weil: Revolution in einer, in jeder Generation, und immer vollständig, endgültig, nachhaltig. Jeder das Gen einer Gattung Mensch, die noch keiner kennt. Das ist nicht ein Therapeut und ein Wachhund, der seine Schäfchen zusammenhält, denen er dann einzeln das Fell über die Ohren zieht, um sie auszuschlachten, freimarktwirtschaftlich wo und wie auch immer. Und weil das jeweils ein ganzer Kosmos ist, diese Gruppe in Agitation, ein Genom aus ganz verschiedenen Geburtssternbildern, ist das Produkt dieser Gruppenagitation die Rebellion gegen Kosmos und Gesellschaft, die kosmisch-soziale Revolution, wer die Zeichen zu lesen versteht. Die Ärzteklasse programmiert die biologischen Gene um. Und das ist schon heute eine ganz schöne Erbgut-Viecherei, diese Therapie der Systemkrankheiten, ja, so nennen die das selbst, keinem fällt was auf, bei diesem Wort. Geheilt wird das System, verändert wird der Patient und das Wort ward – – : Mord. Das Nähere regelt das Gesetz: kein Grund zur Beruhigung! Und genau hier und nirgends sonst ist der Punkt der Klassentrennung. Der Inhalt, ohne den jeder Gruppenprozeß von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Das Beispiel unseres eigenen Anfangens hat es gezeigt. Vertrauen in den Arzt oder Vertrauen zu uns selbst. Das war der Punkt.
Aus: Über das Anfangen. Zur Vorgeschichte des Sozialistischen Patientenkollektiv (1970) und der Patientenfront (1973). Wie aus der Krankheit eine Waffe wurde. Interview mit Huber vom 06.11.1992.
PF/SPK(H), 16.10.2014