Die Gattungsfrage in allen Bewegungen zur Hauptfrage machen
Merke: Enttarnung sofort
Entwarnung niemals
Der in den vergangenen Monaten und Jahren von der Gegenseite ausgeübte Terror auf das IZRU führte zur Ausbreitung der emotionalen Pest im IZRU: durch die Inanspruchnahme des Standpunkts des Privateigentums Produktion von Vereinzelung, Konkurrenz und Sachzwängen. Es ist deshalb notwendig, die hierdurch aufgeworfenen Fragen öffentlich auf den Begriff zu bringen:
Der Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsverhältnisse ist derjenige von Gewalt und Leben: die Gewalt der Sachzwänge der kapitalistischen Mehrwertproduktion produziert notwendig ihre eigene Negation = Bedürfnis nach Leben und Veränderung, das im Einzelnen zuerst als Symptom = Protest und Hemmung des Protest erscheint. In der ständigen Formveränderung der Symptome erkennt der Einzelne, daß er nur Objekt der kapitalistischen Verhältnisse ist und daß sich in seinen Symptomen lediglich die Gewalt der kapitalistischen Mehrwertproduktion durchsetzt. Er begreift, daß er sein Bedürfnis nach Leben nur entfalten kann, indem er die Hemmung des Protests als das angreift, was sie ist, nämlich als Notwendigkeit des kapitalistischen Verwertungsprozesses. Das Bedürfnis nach Leben kann nur wirksam werden, indem es sich mit anderen zur politischen Einheit organisiert und als kollektive Gegengewalt tätig wird. Jede Organisation, die als kollektive Gegengewalt gegen die ständige Gewalt der krankmachenden Verhältnisse kämpft, ruft notwendigerweise die Re-Aktionen der Gegenseite in Form von offener Gewalt durch Justiz, Polizei, Bundesgrenzschutz, Armee hervor.
Die von außen auf das IZRU einwirkende Gewalt besteht in Gerichtsurteilen aufgrund "psychischer Unterstützung des SPK", Berufsverboten u.a. aufgrund "einer wirklichkeitsfremden und gesellschaftsfeindlichen Einstellung", Androhung eines Genickschusses, Ermittlungsverfahren wegen Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung, Hausdurchsuchungen, Erkennungsdienstliche Mißhandlungen, Knast etc. Justiz, Polizei usw. setzen genau an der reaktionären Seite der Widersprüche im Einzelnen an: durch Erpressungen, Lügen, Drohungen, Kontrollen usw. versuchen sie den Vereinzelten zur Kollaboration zu zwingen: Anwesenheit von Familienangehörigen bei Verhören, bei Aussageverweigerung Drohungen mit Verlust des Arbeitsplatzes, Versuch, durch die Lüge zu demoralisieren, daß Genossen schon eine Aussage gemacht hätten.
Gegenseitige und Selbstvorwürfe, Mißtrauen und Existenzangst, Meinungsverschiedenheiten im Wechselverhältnis der Einzelnen stellen sich als Antwort auf diesen Terror von außen ein. Bei näherem Zusehen sind, wie zu erwarten war, die dafür angeführten Gründe wie Unehrlichkeit, Autoritätsangst usw. völlig inadäquat. Die hierdurch aufgeworfenen Widerstände erscheinen als hartnäckige Weigerung, die aus der von außen einwirkenden Gewalt resultierenden Widersprüche im Einzelnen zu kollektivieren: dadurch die Inanspruchnahme nur der reaktionären Seite des äußeren Terrors in Form von Gewalt gegen sich selbst und gegen andere: "freiwillige" Isolierung aus dem kollektiven Zusammenhang, Boykott der Arbeit an der Krankheit des Einzelnen, Verwaltung der Krankheit als Privateigentum, Trennung von "Privatsphäre" und "politischer Arbeit". Die Gegengewalt richtet sich nicht mehr gegen die krankmachenden Verhältnisse, sondern richtet sich innerhalb der Gruppe gegeneinander: Der Kampf gegen die Isolationsfolter und für die politische Identität verwandelt sich so (unter der Hand) in Isolation innerhalb der Gruppe – aus revolutionärem Kampf wird Krampf! Das Verhältnis zwischen der eigenen Situation und der Isolationsfolter in den Knästen bleibt hierdurch nur äußerlich und zufällig: Was dem Einzelnen in seiner Not zufällt, wird nicht mehr in kollektiver politischer Praxis gewendet – der allgemeine Inhalt = Krankheit bleibt in der Form des Subjektiven, Zufälligen.
Jedoch es geht um die Produktion des Bewußtseins, daß der Einzelne selbst nicht viel ausrichten kann, daß die anderen für ihn unentbehrlich sind. Es geht um die Dialektik von Einzelnem und Kollektiv:
Der Einzelne als Identität von Subjekt und Objekt der Veränderung begreift, daß er seinen Leidensdruck nur dadurch verändern kann, daß er den kollektiven Zusammenhang, in dem er steht, verändert. Andererseits kann die kollektive Praxis nur dadurch weiterentwickelt werden, indem die Widersprüche im Einzelnen nach ihrer progressiven Seite (= Bedürfnis nach Veränderung) vorangetrieben werden und die Krankheit sich dadurch von der Komplizenschaft mit der Gewalt des Systems trennt. Diese Identität von Subjekt und Objekt ist jedoch nicht ein für alle mal da, sondern muß in jeder Situation von neuem erarbeitet werden. Dabei ist einiges von der japanischen Kunst der Selbstverteidigung zu lernen, deren Prinzip im Wesentlichen darin besteht: den gewalt-igen Schwung des Gegners (= Gewalt der Verhältnisse) dazu benutzen, um eben diesen Gegner zu Fall zu bringen (= Revolution).
Jede revolutionäre Arbeit ist auf Solidarität angewiesen!
Ohne Solidarität ist sie der Repression schutzlos ausgeliefert!
Die Solidarität ist unsere stärkste Waffe!
Rote Volksuniversität (RVU) Nr. 13 vom 17.09.1973