Aber es gibt da eine explosive Mischung aus verpfuschtem Leben und Bewußtsein ... (Radiosendung)
Überhaupt wird heutzutage nirgendwo soviel rumgepfuscht als am Leben. Den direktesten Zugang zum Leben hat unbestreitbar der Arzt. Was nämlich in Form des Lebens in Erscheinung tritt, ist Krankheit. Unter dem Vorwand Krankheit ist der Arzt auf allen Gebieten tätig: indem er das Leben verpfuscht, vernichtet, ausmerzt. Das als Staat organisierte Kapital liefert ihm die Legitimation, das Leben zu verpfuschen in der Gloriole des HEILs, als dessen Zentralgestirn der Arzt in Himmel und Hölle hineinregiert zu allen Zeiten, in allen Gesellschaften.
Aber es gibt da eine explosive
Mischung aus verpfuschtem Leben und Bewußtsein, die Krankheit nicht länger für
sich behält, sondern sie äußert, sie über die Grenzen des vereinzelten Lebens
hinaustreibt, sich wehrt gegen den therapeutischen Terror, denn wer schon nicht
heilen kann, muß wenigstens terrorisieren lernen. In diesem Kampfesgeschehen
entsteht eine Wechselwirkung und ein innerer Zusammenhang zwischen den
Vereinzelten, deren jeder vorher genug mit sich selbst zu tun hatte.
Dem steigert die Krankheit sprunghaft das Bewußtsein, dessen anfängliche Leere
ihm zur Lehre des Umlernen-lernen-Lernens wird: Zukunft tätig
herzustellen, über sich selbst hinaus auf alle und auf alles zuzuwachsen.
Tüchtig zu werden zur
kosmisch-sozialen Revolution.
Krankheit ist eben nicht Leiden,
sondern Herstellungskategorie der nur arztfrei
machbaren Gesamtwirklichkeit.
Gerade weil diese den Stempel des Unmöglichen trägt, ist sie weder utopisch,
noch eschatologisch an irgendwelche Heilserwartungen gebunden. Sie ist
Utopathie in Permanenz, d.h. solange es
Krankheit gibt und den daraus als Gesamtgegenstand*
erst noch zu machenden einen und einzigen Menschen.
Nicht zu verwechseln mit Gesamtkunstwerk! Ein Gesamtgegenstand ist eher zu vergleichen mit beispielsweise einem Adam Kadmon, den es tatsächlich gab und der heute zu konstruieren wäre, mittels einer kollektiven Phantasie, welche die Philosophie in Tätigkeit übersetzt und praktisch macht, das heißt: Ideologie! Von einem Adam Kadmon hatte ein Richard Wagner (siehe Gesamtkunstwerk) sicherlich nicht die leiseste Ahnung, denn dieser Adam Kadmon verkörperte die Totalität des ubiquitären Krankheitsmusters. Richard Wagner hingegen gab Gott und Göttern den Vorzug, die, voller Mitleid, die Krankheit, das Leiden und die Patienten töten. Diese Götter waren nach dem Geschmack dieses Mega-Komponisten, der vorzugsweise Zwieback verschlang, um in Stimmung zu kommen, wenn er eine Oper komponieren wollte.*
Also:
Sofort die Ärzte rausschmeißen aus allen Widerstandsgruppen, die was mit Krankheit zu tun haben, die als Patientenkollektive auftreten!
Machen, daß immer mehr Ärzte Berufsverbot kriegen, nicht wegen Suff, Mord und Totschlag und solchen Kunstfehlern, sondern wegen sogenanntem Charakterdefekt, und zwar aus Widerstand. Überlegen, wer alles dafür in Betracht kommt, heute noch!
Laßt Euch die Krankheit nicht
klauen! Seid wachsam! Denn in jedem von uns verwest ein Stück Arzt.
Kränkt, um zu leben, lebt, um zu kränken.
Macht mit beim Krankheitstribunal, aber seid Euch bewußt: das
KrankheitsWeltgericht erst ist der Beginn Eurer Geschichte. Bis dahin bleibt
Euer Leben, denn es ist das Leben überhaupt, ärztlich verpfuscht.
Das Operationsproblem, das
"Was-macht-ihr-wenn-einer-ein-Bein-gebrochen-hat?", das löst Ihr durch
Patientenkontrolle, den Rest über Iatrocide (pathenzierte Kraft, d.h. Kraft aus
der Krankheit).
Und was da ist an Prothesen, das setzt Ihr als Krücken gegen die Ärzte ein, wenn
es so scheint, daß alles schon zu spät ist (Krücken - Tabll., Spritzen, Proth.
etc.).
Wir machen das jetzt im 7. Jahr. Und es geht! Erprobt in sogenannten schwersten Fällen. Es gibt das erste Patientenfront-Paradies. Dort wird seit 3 Jahren das biologische und das psychopathologische, ärztlich verordnete Alterssterben runduhr in gesteigert bewußtes Leben permutiert.
Fangt an, sofort! Schafft viele Patientenfront-Paradiese! Zu gegebener Zeit sagen wir Euch dann, wie's gemacht wird. Denn es hat keine Rezepte mehr zu geben, sondern wirksames Wissen, ausgekochtes, hochkarätiges fern- und nahkrankes, tele- und sympathisches, brandneu, aber thermomimetisch aufbereitet. Keine medizinische Terrorfabrik, aber Diapathik, und immer und überall die Probe darauf.
Die drei Ärzteprozesse im letzten Jahr, Prozesse gegen die HEILanstalt Wiesloch mit ihren zehntausendfach und wieder und wieder verurteilten etlichen 7 Berufs- und Laienrichtern. Wieder und wieder verurteilt durch eine europaweite und noch viel weitere, korrespondierende Massenbasis aus Protest und Widerstand. Diese drei Ärzteprozesse, sie muß man sehen als das, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich provinzielle, randständige Ereignisse in einer vom Aberglauben an HEIL und Gesundheit ins iatrokapitalistische Abseits ver-rückten Gesamtgesellschaft. Diese Sorte Dissidentenschreck hatte seine Zukunft in Wirklichkeit schon 1976 hinter sich, d.h. längst bevor ein regierender Landes-Irrenarzt die vom Quassel- und Knüppelapparat im Ländle dazu gebracht hat, gegen zwei unter etlichen 1000 Rechtsanwälten und dazu noch extra gegen eine Beiständin mit Pauken und Trompeten mobil zu machen.
Es überrascht auch nur Außenstehende in der Gefolgschaft der Ärzte, daß die Krankheit in der HEILanstalt zur Waffe des Hungerstreiks greift, daß aus 30 im Widerstand verbundenen Patienten im Zeichen der Ärzteprozesse innerhalb eines Jahres plötzlich 70 werden, daß Frauenaufstände in der HEILanstalt hinzukommen, das feindliche Lager - nicht zuletzt unter der Einflußnahme des Auslands - sich endlich in Juristen kontra Ärzte zu spalten beginnt. Das alles soll unmöglich sein, ohne Unterstützung von außen, vor allem aber ohne die so elitäre wie genormte, ärztlich genormte* Universitätsintelligenz, wollen manche glauben machen.
Statt Bourgeoisie sagen wir heute: Normoisie*
Aber einzig von der praktischen Widerlegung dieser Auffassung, längst erprobt, hängt die Zukunft des Patientenwiderstands ab, und sei er auch noch so isoliert und noch so vereinzelt, in welcher Knallburg des HEILs auch immer.
Untilgbare, weil zwar abgeschlossene,
aber als Geschichte wirksam gewordene Orientierung bleibt der seinerzeit von
innen und außen beharrlich totgeschwiegene
bedingungslose und unbefristete Hungerstreik von 1975 im
Gefängniskrankenhaus Hohenasperg und immer zwischen Chirurgie und Psychiatrie.
Ihm ging mehr als 4 Jahre lang der von Stufe zu Stufe gesteigerte Streik gegen
alle Vergünstigungen voraus, die der Arzt im Gefängnis für geeignet hält,
wenigstens den Anschein von Gesundheit vorzuspiegeln.
Keine Untersuchung, keine Behandlung, kein Wort mit den Ärzten und ihren
Gerichten und ihrer Polizei, kein Schritt auf sie zu,
keine Unterschrift, keine Besuche, keine
Briefe, keine Päckchen, keine Frischluft, keine Bewegung, weil alles zensiert.
Dafür gab es die ärztlich verordnete, totale Kontaktsperre, lange vor dem
sogenannten Kontaktsperregesetz, aber auch die erste totalgesprengte, nämlich
unüberwachte Kontaktaufnahme, weil denen der Ärger mit den Besuchern, die
einfach nicht locker ließen, auf die Dauer zu zermürbend geworden war, dafür gab
es zuerst Quarantäne und nochmals
Quarantäne, schließlich aber die Zelle der offenen Tür samt der zunächst
widerrufenen Freilassung, weil Folter auf die Dauer am hartnäckigen Schweigen
des Gefolterten so oder so zerbricht.
Nur diese von einem Einzelnen unter Extrembedingungen entwickelten und erprobten Widerstandsformen haben es ermöglicht und machen es nachvollziehbar, daß heute in der HEILanstalt Wiesloch Krankheit im permanenten Massenaufstand ist.
Daraus folgt: Mord und Totschlag dadrin verhindert Ihr nur, indem Ihr ständig die Ärzte angreift, Kontrolle von außen erzwingt, aber da drin kommt nichts in Gang, läuft nichts weiter ohne exemplarische Geschichtsschreibung aus dem gesteigerten Bewußtsein dessen heraus, der unter kompromißlosem Einsatz die Politik als Pathopraktik des Unmöglichen und eben gerade nicht als Kunst des Möglichen begreift und dort betätigt hat, wo ganz klar Front ist: das war Huber, W.D. - SPK -, der die Ärzte angegriffen hat, statt charismatischer Therapeut und genialer Systematiker zu bleiben. Denn ohne die Heilsmaschinerie läuft kein Krieg, kein Atomstaat, kein Nazismus. Das war Wolfgang Huber, der sich keine Sekunde vor Knast und Klapse gedrückt hat, der die ihm von Knastleitung und leider auch von anderen Genossen angedienerte Karriere des politischen Gefangenen schroff zurückgewiesen hat, um herauszufinden, ob auch ganz unten und isoliert in der Folterzelle Krankheit hält, was sie schon im SPK und erstmals dort versprochen hat. Denn ohne die Heilsmaschinerie läuft kein Folternazismus, keine iatrokapitalistische Pseudodemokratengesellschaft, kein Atomkrieg.
Der vorige Bonner Polizeiminister hat
letztens die umfangreiche Studie einer Psychiatergattin speziell gegen und über
Dr. med. Wolfgang Huber in Umlauf gebracht. Denn wer ihm Freund ist, dem fehlen
vor lauter Krankheit Waffe nicht nur die Worte, sondern auch Sinn und Zeit für
Personenkult unter welchem Vorzeichen auch immer.
Das große Ding strotzt vor Schreib- und allen irgend sonst möglichen Fehlern,
aber auch vor Superlativen, teilweise sogar gebremsten, kurz: das große
Ding ist eine einzige Flimmerkiste aus Galle- und Sozialgrün. Wie die Grünen in
ihrem Parteiprogramm erklärt die Psychiatergattin durch das derzeitige
Polizeiministerium hindurch Gesundheit zur entscheidenden politischen Forderung
und sich zuständig für die Patienten als einer vielfach unterdrückten
Minderheit. Wie die Grünen und alle anderen, die sie Terroristen nennt, ist ihr
der gesunde Streß – auch dann, wenn er krank macht – eigentlich viel lieber als
der kosmopolitisch so ungemein komplexe
Krankheitsbegriff, zumal als
revolutionäres Subjekt, zumal als Krankheit Waffe, Waffe der Erkenntnis und
Veränderung.
Aber anders als die Grünen resümiert sie uns nur als unliebsame Frage an die
Zukunft, denn uns ist, wir sagten es schon, Krankheit in diesem Punkt alles
andere als fragwürdig, sondern Herstellungskategorie der Zukunft in radikalster
Liebe, allerherzlichster Verbundenheit und kommunismuswidriger Gemeinsamkeit.
Ein Häuptling der Grünen im Baden-Württembergischen Landtag war da schon vor
Jahresfrist noch um einiges deutlicher, als er uns rundheraus eröffnete:
Ihr gehört weg. Selektieren muß man die, die zu weit gehen. Denn was wir
Grünen brauchen, das seid nicht Ihr mit Eurer
Krankheit, das sind die Gesunden, die es bleiben wollen und die wählen deshalb
uns und nicht Euch. Warum dieser Häuptling nicht längst erklärtermaßen ein Opfer
des 20. Juli ist, wie ebenfalls erklärtermaßen besagte Fach-Gattin und
CDU-Stadträtin, je nun, vielleicht ist er dazu schon wieder zu grün. Wir
jedenfalls wußten noch nie, was wir mit denen zu tun haben. Aber wer weiß, was
er zu tun hat, der wählt bestimmt nicht die (und uns könnt Ihr nicht wählen!):
– denn wer die Qual hat, dem ist die Wahl geschenkt.
Für uns ist schon allein das Wort Macht, erst recht die Macht in der Schein- und
Schandrealität eines Parlaments ein pleonastisches Überflußwort, nämlich
Bestandteil der samt allem Ärztlichen abzuschaffenden Heilsgewalt. Wir
konfrontieren ihr als Patientenfront das Krankheitsweltgericht und nennen sie
Iatrarchie, denn wir könnten uns sogar Ärzten
verständlich machen, wenn wir nur wollten.
Was wir wollen, das möchten die meisten:
nämlich dies, mit ihrer Krankheit gemeinsam selbst klarkommen.
Sie alle fordern wir auf:
Tut was für Euch, macht
selber Patientenfront. Ihr braucht uns ja nicht gleich zu liquidieren, auch
nicht beihilfsweise mittels Untätigkeit. Tut doch ganz einfach das, was besser
ist, macht uns überflüssig.
Denn noch tragt und übertragt Ihr die Krankheit statt des Einen, Einzigen Neuen
Menschen. Wir aber tragen die Verantwortung dafür. Ihr tragt schwer, aber was
ist leichter? Kommt nieder mit Eurer Krankheit,
kommt zu Euch selbst, damit
Ihr Euch endlich erheben könnt, ungetrennt durch Stahlbeton, Gift, Skalpell,
Artikel und Partikel, ganz, das heißt vollständig, endgültig und nachhaltig,
draußen wie drinnen, mit und ohne HEILanstalt,
aber nie wieder HEIL!
(Ausschnitt aus einer Rundfunksendung von ‚Radio Dreyeckland' am 21. und 31.1.1983; siehe Kränkschriftenverzeichnis)
Aus: SPK - Aus der Krankheit eine Waffe machen
PF/SPK(H), 14.04.2011