Dieser Text in erst ein Anfang ...

 

 

VIII Zwei Vergleiche*

* Zusammengestellt und vorbereitet, aber nicht praktisch umgesetzt von dem ehemaligen SPK-Patienten A.A., der es vorgezogen hat auszuwandern, anstatt die Krankheit weiterhin zur Waffe zu machen ("Wer Angst hat, ist wachsam ...")

39. Vergleich I

Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses 25.10.1946 – 20.8.1947: Dokumentation über die Verfahrensweise der Universitätsorgane bei der Liquidierung des SPK:

"Die Entblößung all des Grauens vor den Augen der Weltöffentlichkeit, die darin die belastendsten Zeugnisse gegen einen Stand erblicken mußte, war zu schwer. Ziemlich hoffnungslos, mit unserer Publikation noch einen Beitrag zur Wendung des Geschicks ins Bessere leisten zu können, legten wir sie schließlich auftragsgemäß vor. 10 000 Exemplare gingen an die Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Ärztekammern zur Verteilung an die Ärzteschaft. Die Wirkung blieb völlig aus. Nahezu nirgends wurde das Buch bekannt, keine Rezensionen, keine Zuschriften aus dem Leserkreis; unter den Menschen, mit denen wir in den nächsten 10 Jahren zusammentrafen, keiner, der das Buch kannte. Nur von einer Stelle wissen wir, daß es ihr vorlag: dem Weltärztebund, der, wesentlich auf unsere Dokumentation gestützt, in ihm einen Beweis erblickte, daß die deutsche Ärzteschaft von den Ereignissen der verbrecherischen Diktatur abgerückt sei und sie wieder als Mitglied aufnahm."

A. Mitscherlich 1960 zu den Dokumenten

Die Entblößung all der unverschleierten Gewaltmaßnahmen vor den Augen der Universitätsöffentlichkeit, die darin die belastendsten Zeugnisse gegen eine Institution und ihre maßgeblichen Träger erblicken mußte, war zu direkt. Ziemlich hoffnungslos, mit unserer "Dokumentation über die Verfahrensweise der Universitätsorgane zur Liquidierung des SPK" noch einen Beitrag zur Abwendung der Vernichtung des SPK leisten zu können, legten wir sie schließlich am 17.3.1971 vor.

500 Exemplare gingen an interessierte Studenten, die sie in der Mensa und im SPK kauften.
Die Wirkung blieb völlig aus …
*

* Die Dokumentation ist inzwischen in der SPK-Dokumentation II, S. 148 bis 170, erneut in einer Auflage von mehreren 1000 Exemplaren erschienen und im Buchhandel erhältlich.

"Ich bemerkte noch unwillig, wenn dieses Verfahren (Menschenversuche an zum Tode verurteilten Verbrechern) Schule mache, könnten wir ja die ganze Lehre an den Scharfrichter abtreten und nächstens eine Scharfrichterschule am Institut aufmachen."

Prof. Dr. med. Gerhard Rose, Protokoll S. 6231 ff, 1946/47

"Die Bezirksärztekammer Nordbaden sah sich allerdings außerstande, mit Kampfpanzern gegen eine Gruppe bewaffneter Geisteskranker dort vorzugehen, wo die Toleranz aus einer Gruppe Verschrobener eine bewaffnete, zum äußersten entschlossene revolutionäre Kampfgruppe hatte entstehen lassen."

Monika Fuchs im offiziellen Organ der Landesärztekammer Baden-Württemberg, September 1971.

"Im Hinblick auf die Notwendigkeit planwirtschaftlicher Erfassung der Geisteskranken ersuche ich Sie, die anliegenden Meldebogen umgehend nach Maßgabe des beiliegenden Merkblattes auszufüllen und an mich zurückzusenden."

Dr. med. Conti, Dokument No. 825, 24.10.1939

"Auf Grund der Anfrage des Dekanats der Fakultät für Klinische Medizin II an der Universität Heidelberg vom 31. August 1970 gebe ich folgende gutachtliche Stellungnahme über das Sozialistische Patientenkollektiv ab. Die mir vorgelegten Fragen beantworte ich wie folgt …"

Prof. Dr. med. H. Thomä, 9.9.1970, SPK-Dokumentation I, S. 36.

"Wie aus den beiden Briefen (25.11.1940 und 29.11.1940) zu erkennen ist, benötigte die Bearbeitung von 300 Fällen durch den Gutachter höchstens 3 Tage."

Kommentar von Mielke und Mitscherlich 1949.

Wie aus dem Datum der "Anfrage" (31.8.1970) und der gutachtlichen "Stellungnahme" (9.9.1970) zu erkennen ist, benötigte die Bearbeitung von 151 Fällen (Patientenstand im SPK am 20.7.1970) durch den Gutachter höchstens 8 Tage.

"Die Herren Juristen sagten uns, daß es sich bei dieser Aufgabe um eine legale Angelegenheit handele, daß es ein Gesetz Hitlers sei, bzw. ein gesetzkräftiger Erlaß – rechtskräftiger Erlaß, und uns wurde gesagt, daß wir uns in keiner Weise irgendwie strafbar machen würden und im Gegenteil, daß eine Sabotage dieses Führerbefehls strafbar sei."

Oberarzt Dr. med. Walter Schmidt, Protokoll S. 1858, 1946/47

"Für den Fall des SPK ist nach dem Erlaß des Kultusministers (Hahn) vom 18.9.1970 mit einer Zustimmung (zum Weiterbestehen des SPK als Universitätseinrichtung) keinesfalls zu rechnen. Die Fakultät für Klinische Medizin II empfiehlt dringend, von einer Angliederung des SPK an die Universität Abstand zu nehmen."

Prof. Dr. med. U. Schnyder und Dr. med. H. Kretz, Senatssitzung, 24.11.1970

"Um die Geheimhaltung der Aktion zu gewährleisten, wurden nur Gutachter und Anstaltsleiter herangezogen, die bewährte Nationalsozialisten und SS-Führer waren."

Feststellung von Mielke und Mitscherlich 1949.

"Die Begründung wird im folgenden zeigen, daß von den 6 Gutachten (Richter, Brückner, Spazier, Dr. med. Thomä, Dr. med. v. Baeyer, Dr. med. Bochnik) lediglich bei 3 Gutachten (Thomä, v. Baeyer, Bochnik) die Voraussetzungen zu gutachtlicher Urteilsbildung vorliegen. Die von der Fakultät für Klinische Medizin II angeforderten 3 Gutachten sprechen sich übereinstimmend gegen die Institutionalisierung des SPK als Universitätseinrichtung aus."

Dr. med. U. Schnyder, Dr. med. H. Kretz, geheime Senatssitzung am 24.11.1970.

"Ein Herr namens Blankenburg erklärte uns, daß der Führer ein Gesetz für Euthanasie ausgearbeitet habe. Es war absolut freiwillig für die Anwesenden dieser Versammlung, ihre Mitarbeit zuzusichern. Keiner der Anwesenden hatte irgendwelche Einwände gegen dieses Programm."

Eidesstattliche Erklärung einer Krankenschwester, P. Kneisler, Doc. No. 863, 1946/47.

"Das Suicidrisiko (Selbstmordrisiko) bei den SPK-Mitgliedern werde zwar etwas größer, sei aber überschaubar. Daher trügen die beschlußfassenden Senatsmitglieder keine besondere ärztliche oder moralische Verantwortung. Diese liege ohnehin bei dem behandelnden Arzt."

Dr. med. Häfner und Dr. med. Kretz auf der geheimen Senatssitzung am 24.11.1970 – zitiert nach dem Protokoll eines Teilnehmers vom 28.12.1970

"Weiterhin erklärte der Mörder dann, daß nicht plötzlicher Nahrungsentzug angewandt werden würde, sondern allmähliche Verringerung der Rationen."

Freiwillige eidesstattliche Erklärung Ludwig Lehners zur Frage, in den Händen welcher Persönlichkeit faktisch die Entscheidung über Leben und Tod der Patienten lag.

Doc. No. 863, 1946/47.

"Der Senat ist der Auffassung, daß das SPK keine Einrichtung in und an der Universität werden kann. Der Beschluß wird gegen eine Stimme bei einer Stimmenthaltung gefaßt. Nach dem Beschluß sei es Aufgabe des Kanzlers, den Beschluß auf dem Verwaltungswege unter Anwendung staatlicher Hilfsmittel durchzuführen."

Offizieller Beschluß der geheimen Senatssitzung am 24.11.1970 und Anweisung des Dekans der Juristischen Fakultät, Dr. jur. Leferenz

"Es war jeder einzelne Arzt selbst verantwortlich für das, was er innerhalb dieser Maßnahmen, die bis zur Euthanasie, zum Ende, führten, zu tun hatte."

Prof. Dr. med. Karl Brandt, Protokoll S. 2436 ff, 1946/47

"Daher tragen die beschlußfassenden Senatsmitglieder keine besondere ärztliche oder moralische Verantwortung. Diese liegt ohnehin beim behandelnden Arzt."

Prof. Dr. med. H. Häfner und Dr. med. H. Kretz in der geheimen Senatssitzung am 24.11.1970.

"Nun befand ich mich in diesem Augenblick in der Lage, die etwa der eines Juristen entspricht, der grundsätzlich z.B. Gegner der Hinrichtungen und des Todesurteils ist. Er wird bei den Gelegenheiten, wo er mit Leuten der Regierung und auf öffentlichen Tagungen von Juristen, sich mit der Frage befassen kann, alle seine Kraft einsetzen, um seine Ansicht durchzusetzen. Wenn ihm das nicht gelingt, so bleibt er da trotzdem in dem Beruf und in seiner Umgebung drin, und er kann sogar unter Umständen gezwungen sein, ein derartiges Todesurteil selbst auszusprechen, obwohl er grundätzlich ein Gegner dieser Einrichtung ist."

Prof. Dr. med. G. Rose in seiner Rechtfertigung vor dem I. Amerikanischen Militärgerichtshof 1947, Protokoll S. 6568.

"Zusammenfassend muß ich feststellen, daß ich mit meinen Bemühungen in dieser Frage (gemeint ist das SPK) gescheitert bin. Die Widerstände von allen Seiten gegen eine Lösung, wie ich sie für vertretbar und durchführbar gehalten hätte, waren zu groß."

Prof. Dr. R. Rendtorff in seinem Rechenschaftsbericht an den Großen Senat am 8.2.1971

Prof. Dr. med. Gerhard Rose,
des Verbrechens gegen die Menschlichkeit unter Verurteilung zu lebenslänglicher Haft für schuldig befunden (1947
Prof. Dr. med. Hans Thomä,
Leiter der Abteilung für Psychotherapie der Universität Ulm (1972)
Prof. Dr. med. Karl Brandt,
des Verbrechens gegen die Menschlichkeit und der Mitgliedschaft in einer durch das Urteil des Internationalen Militärgerichtshofes für verbrecherisch erklärten Organisation unter Verurteilung zum Tode durch den Strang schuldig gesprochen (1947)

Prof. Dr. med. Walter Ritter von Baeyer,
Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg (1972), Bundesverdienstkreuz-Träger seit 1970

Prof. Dr. med. H. J. Bochnik,
Direktor der Psychiatrischen und Neurologischen Klinik der Universität Frankfurt (1972)

Prof. Dr. med. Urs Schnyder,
Direktor der Universitätshautklinik in Heidelberg (1972)

Dr. med. Helmut Kretz,
Leiter der Psychiatrischen Universitätspoliklinik in Heidelberg (1972)

Prof. Dr. med. Heinz Häfner,
Direktor der Sozialpsychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg-Mannheim (1972)

Dr. med. Oesterreich,
Oberarzt in der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg (1972)

Prof. Dr. jur. Leferenz,
Ordinarius für Rechtswissenschaften und Kriminologie an der Universität Heidelberg (1972)

Prof. Dr. Rolf Rendtorff,
wiedergewählter Rektor der Universität Heidelberg (1972)

Adolf Hitler,
Führer und Reichskanzler; verschollen (1945)
Prof. Dr. Wilhelm Hahn,
Kultusminister von Baden-Württemberg – CDU (1972)

40. Vergleich II

Vier Jahre lang (bis August 1971) hat der Psychologe Lawrence A. Newberry im Auftrag des Pentagon die "Indoktrinationsmethoden und psychologischen Techniken" des Vietkong untersucht. Newberry arbeitete als Leiter eines Teams der Rand Corporation, einer Organisation, die auf Initiative der US Air Force eingerichtet wurde, um "Grundlagenforschung" für die Entwicklung von Unterdrückungsstrategien gegen Befreiungsimpulse und -bewegungen zu betreiben. Außerdem ist er Psychologe, also ist seine Untersuchungsmethode, durch die seine Ergebnisse bestimmt sind, orientiert an der Subjekt-Objekt-Beziehung, die das Verhältnis Psychologe-Klient ebenso determiniert wie das Verhältnis Forscher-Forschungsgegenstand. Deshalb ist die Sprache seines Reports dem Untersuchungsgegenstand nicht adäquat; sie zeigt vielmehr die Ausdrucksweise des auf Gehirnwäsche ("Indoktrination") abgerichteten Psychologen, dem Sprache und Praxis des Vietkong in ihrem Wesen verschlossen bleiben müssen, und der sie nur als "modernste psychologische und soziologische Methoden" der Indoktrination (Gehirnwäsche, Psychoterror) begreifen und entsprechend – implizit und unter Absicherungsversuchen – denunzieren kann.

Wenn wir im Folgenden Passagen aus dem Newberry-Report Äußerungen des SPK gegenüberstellen, so geht es uns dabei vor allem darum, den Unterschied zwischen denunziatorischem Bericht und authentischer Darstellung erkennbar werden zu lassen.

Da die authentische Struktur der Organisationsform des Vietkong auch noch durch Newberrys Entstellungen hindurch erkennbar ist – zumindest für den marxistischen Leser –, wird eine Analogie der Organisationsstrukturen als Folge der Anwendung der dialektischen Methode sichtbar, die nicht als mechanischer Vergleich genommen werden darf. Denn was der Vietkong für die linke Bewegung in der BRD, und was die Arbeit des SPK in dieser linken Bewegung für den Kampf des vietnamesichen Volkes ist, kann nicht theoretisch beantwortet, sondern muß praktisch dargestellt werden. Die Zerschlagung des SPK in der BRD mit Waffengewalt zeigt, daß die Kapitalagenten gegen revolutionäre Bewegungen hier mit den gleichen Mitteln vorgehen werden, wie die von den Profitinteressen der Großindustrie bestimmte Regierung der USA in Vietnam. D.h., daß die Agenten und Handlanger des Kapitals in den westeuropäischen Industrienationen sich bei der Auseinandersetzung mit systemgeschädigten (kranken) Gegnern dieses Systems keineswegs auf die einer Demokratie angeblich angemessenen Mittel der argumentativen wissenschaftlichen Diskussion einlassen. Während die hiesigen "Gegner" des US-amerikanischen Vernichtungsfeldzuges in Südost-Asien sich an die "demokratischen" Spielregeln halten, indem sie ihre Aktivitäten auf friedliche Protestdemonstrationen, liberale Öffentlichkeitsarbeit und caritative Hilfsaktionen für die vietnamesische Bevölkerung beschränken, halten sich die Kollaborateure der nordamerikanischen Kriegsverbrecher in den westeuropäischen kapitalistischen Staaten keineswegs an diese Spielregeln.

Es ist zu fragen, wie lange die hiesige "Linke" noch an ihren eigenen Bedürfnissen und den vitalen Bedürfnissen der westdeutschen Bevölkerung vorbeizudemonstrieren gedenkt?!

Vietkong nach Newberry SPK
Der Vietkong hat eine völlig neue Sprache politischer und militärischer Begriffe entwickelt. Die richtigen Bedeutungen müssen in Zellen und Gruppen immer aufs Neue besprochen und gelernt werden, bis jeder Soldat sie perfekt beherrscht, und sie einen unbewußten Bestandteil seiner Alltagssprache ausmachen. Die Patienten des SPK haben eine – in der Krankenbehandlung – völlig neue Sprache politisch-ökonomischer Begriffe entwickelt. Die richtigen Bedeutungen und Zusammenhänge werden in Einzelagitationen, Gruppenagitationen und wissenschaftlichen Arbeitskreisen immer aufs Neue entwickelt und begriffen, damit jeder Patient mit ihnen umzugehen und sie in allen Situationen anzuwenden lernt.
Jede Einheit des Vietkong hat einen politischen Kader, dessen Aufgabe es ist, die Soldaten kontinuierlich zu indoktrinieren, um sicherzustellen, daß ihre ideologische Einstellung nicht ins Wanken gerät, daß ihre Moral ständig auf hohem Niveau bleibt, daß ihre Verbindung mit dem Volk nicht gestört wird, und damit sie im richtigen Moment einen großen "Kampfgeist" aufbringen. In der agitatorischen Praxis des SPK, insbesondere in den wissenschaftlichen Arbeitskreisen, stellen die Patienten durch kontinuierliche bedürfnisorientierte politische Arbeit ihre Politische Identität auf der Basis von Kooperation und Solidarität ständig neu her, um die Identität von Bedürfnissen und politischer Arbeit zu festigen.
Der Kader ist die beschützende Mutter der Partisanen. Er löst ihre zwischenmenschlichen Spannungen auf, vermittelt bei Meinungsverschiedenheiten und gibt Ratschläge bei persönlichen Problemen. Er muß für seine Schützlinge sorgen wie Eltern für ihre Kinder. In diesem Fall sind die "Kinder" jedoch kämpfende Erwachsene. Ihre Politische Identität ist das Lebenselement der Patienten. Sie ist als kollektive Emanzipation die dialektische Aufhebung von Konkurrenz- und Autoritätskonflikten. Man könnte sagen: Ihre Politische Identität ist für die SPK-Patienten das Lebenselement, so wie der Mutterleib für den Embryo; nur mit dem wesentlichen Unterschied, daß die Patienten ihr Lebenselement selbst produziert haben und ständig neu produzieren.
Während ihrer Ausbildung lernen die Rekruten, daß die politische Kraft der Bewegung die größte Stärke des Vietkong ist. Sie werden ständig dazu angehalten, bei all ihren Handlungen an die Bedeutung des politischen Kampfes zu denken. Im Prozeß der Agitation begreift jeder Patient, daß die dialektische Entfaltung der Wirklichkeit begrifflich und in der Praxis die stärkste politische Waffe für die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse ist. (Politische Identität)
Die politische Schulung wird für viele Zwecke gebraucht: Um den Kampfgeist der Mannschaften zu mobilisieren, um sie zu befreien von der Angst vor der Vernichtungskraft moderner Waffen, um die Soldaten anzuspornen, alle Leiden im Dienste für die Revolution hinzunehmen, um die Moral der Truppe zu stärken. Das meint der Vietkong, wenn er sagt, daß der Politisierungsprozeß alles ist. Die Agitation des SPK ist notwendig, um uns als Patienten von der lähmenden Angst vor den "modernen" Behandlungsmethoden der etablierten Medizin (Elektroschocks, Pharmakotherapie, Psychoterror, Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit etc.) zu befreien, um das progressive Moment der Krankheit, den Protest, zu mobilisieren und zum Widerstand werden zu lassen.
Wenn jedoch Zwang gebraucht werden muß, für welche Zwecke auch immer, wird dessen Notwendigkeit den Menschen mit überzeugenden Argumenten deutlich gemacht. Das Volk lernt ein neues Vokabular, das Vokabular der Revolution, so daß schließlich selbst der Bürger mit dem geringsten Grad von Entwicklung das geistige Rüstzeug besitzt, um seine neue politische Ideologie weiterzugeben, aber auch um sie zu verteidigen. Der ständig zunehmende äußere Zwang und die permanent eskalierende Bedrohung von außen, denen das SPK Zeit seines Bestehens ausgesetzt war, wurde allen Patienten als Identät von Krankheit und Kapital deutlich.
In den wissenschaftlichen Arbeitskreisen des SPK konnte jeder Patient die notwendige Methode zur gegenseitigen Agitation erlernen. Dabei wurde das "natürliche" Bildungsgefälle zwischen Arbeitern und Studenten progressiv in den Qualitäten Kooperation und Solidarität aufgehoben.
Das Endziel dieses systematischen Prozesses ist die Übernahme neuer sozialistischer Normen durch das Volk, so daß die neue soziale Ordnung von selbst Wurzeln schlägt und von selbst Früchte trägt – mit, aber auch ohne politische Kader.

Die Konsequenz der Arbeit des SPK ist die Verbreitung der von den Patienten erarbeiteten Erkenntnisse und ihrer bedürfnisorientierten politischen Praxis in Sinne des Multi-Fokalen Expansionismus (Prinzip Volksuniversität).

Nicht Kollektive können das Ziel sein, sondern nur das Kollektiv, welches jeden Menschen umfaßt.

Man hat uns gelehrt, dem südvietnamesischen Volk die Augen zu öffnen für die Wirklichkeit: Unter dem Druck des totalitären Regimes leben die meisten Vietnamesen in Armut und Elend. Die Amerikaner sind gekommen, um die französischen Imperialisten abzulösen. Wenn sie nicht hierher gekommen wären, gäbe es keinen Krieg, keine Korruption. Die Amerikaner haben ihr Geld mitgebracht und die Menschen bestochen. Die Menschen sind arm, sie müssen ihr Leben also wohl an die Amerikaner verkaufen. Im SPK haben die Patienten begriffen, daß Krankheit Produkt der bestehenden Verhältnisse ist.
Die Amerikaner sind 1945 gekommen, um die Nazis abzulösen. Die Amerikaner haben ihr Geld mitgebracht (Marshallplan, Kapitalinvestitionen) und die Arbeitskraft der deutschen Bevölkerung gekauft. In den unvermindert vorhandenen Trägern des Naziregimes in Industrie und Verwaltung haben sie willige Handlanger und Agenten für eine Germanisierung ihres kapitalistischen Konkurrenz- und Eroberungs-krieges in Europa gefunden – entsprechend der angestrebten Vietnamisierung des imperialistischen Klassenkrieges der amerikanischen Rüstungs-, Öl-, Elektronik- und Chemiemonopole gegen die vietnamesische Bevölkerung.
Der Vietkong kämpft für Ehre und Freiheit, nicht für Geld. In der Agitation des SPK wurde für die Befreiung des Bewußtseins der Menschen von der Herrschaft des Tauschwerts gearbeitet.
Die Volksarmee kämpft, um dem Volk seine Rechte zurückzugeben, die Reichen auszurotten, um jedem Frieden, Freiheit und Unabhängigkeit zu verschaffen. Die Patienten des SPK haben sich aus der totalen Rechtlosigkeit heraus selbst verteidigt, sie kämpfen für ihre Befreiung.
Unglaublich viel Zeit und Energie wurde oft verwendet, um die Argumente zu finden, mit denen man das Volk am besten mobilisieren kann. Der persönliche Kontakt von Mann zu Mann ging über das Informieren durch das geschriebene Wort. Eine zentrale Rolle in der Praxis des SPK nahmen die Bedürfnisse der Einzelnen ein: Sie waren Ausgangspunkt und Motor der Agitation.
In den wissenschaftlichen Arbeitskreisen ging es nicht um abstraktes Bücherwissen, sondern um die Herstellung einer Beziehung zwischen dem Gelesenen und den Bedürfnissen einzelner Patienten (und dem SPK als Ganzes).
Auf unschlüssige Dorfbewohner wird sozialer Druck ausgeübt. Wenn eine Anzahl Dorfbewohner sich für die eine oder andere Sache "begeistert zeigen", verursacht das bei den anderen Schuldgefühle; sie wollen wohl die Vorteile der Revolution genießen, aber nichts dafür tun. Manche Patienten erlebten Schuldgefühle, wenn sie einerseits bezüglich "ihrer" Krankheit von ihrer Mitarbeit im SPK zu profitieren glaubten, andererseits aber meinten, sie verwendeten selbst zu wenig Zeit und Energie auf ihre Mitarbeit.
Jeder Vietnamese, wie arm und ungebildet er auch ist, weiß, wie die Franzosen das Land regiert und das Volk ausgebeutet haben. Weil die Amerikaner für Asiaten genauso aussehen wie die Franzosen, glaubt es ein vietnamesischer Bauer unmittelbar, wenn ihm erzählt wird, daß die Amerikaner ebensolche Barbaren sind wie die Franzosen. Viele Deutsche, wie jung oder ungebildet sie auch sein mögen, wissen, wie die Nazis das Land regiert und das Volk auf die Schlachtfelder und in die Gaskammern geschickt haben. Weil aber die "neuen" Herren nicht mehr in SA- und SS-Uniformen, sondern in Maßanzügen getarnt auftreten, fällt es ihnen schwer, zu erkennen, daß die gegenwärtigen Handlanger und Agenten des Kapitals mit subtileren Methoden die gleiche Menschenvernichtung (Ausbeutung = gebremste Vernichtung von Leben = Krankheit) betreiben wie ihre Vorgänger in Uniform. Wenn eine ständig wachsende Gruppe von Menschen das aber merkt und sich dagegen wehrt, dann allerdings bleibt auch den von Baeyers, Oesterreichs, Schnyders und Hahns offenbar nicht anderes übrig, als eine schwerbewaffnete Polizeiarmee gegen diese Patienten einzusetzen und sie wegen Verdunklungsgefahr (= Aufhellungsgefahr) einsperren zu lassen.
Vietnamesen kennen nicht viele demokratische Rechte und Freiheiten. Es ist deshalb unsinnig, anzunehmen, daß die Amerikaner gekommen sind, um etwas zu schützen, was für die gewöhnlichen Bürger gar nicht besteht. Die Kranken sind völlig rechtlos.
Es ist deshalb unsinnig, anzunehmen, daß Ärzte und Richter eine Gesundheit und Unverletzlichkeit schützen oder wiederherstellen, die für das Proletariat unter der Bestimmung Krankheit gar nicht besteht.
Niemand kommt aus 20 000 km Entfernung, niemand gibt jährlich Milliarden von Dollars aus, niemand opfert Tausende und Abertausende junger Menschenleben für etwas, was in den Augen der Vietnamesen nicht existiert. Also muß dafür ein anderer Grund bestehen. Niemand gibt jährlich mehr als 80 Milliarden DM (Etat der Sozialversicherung 1969) aus, niemand setzt eine Armee von Ärzten und Hilfspersonal ein für eine Gesundheit, die es nachweislich nur für einige wenige Kapitalisten auf Kosten der Millionen und Abermillionen kranker, unterrückter und ausgebeuteter Proletarier gibt. Also muß dafür ein anderer Grund bestehen.
Beinahe alle Vietnamesen, die mit Amerikanern in Kontakt gewesen sind, haben schlechte Erfahrungen dabei gemacht, haben erfahren, wie Vietnamesen erniedrigt, verwundet und getötet werden durch die fremden Eindringlinge, häufig allein und offensichtlich aus sadistischem Vergnügen. Beinahe alle Kranken, die mit Ärzten (insbesondere mit "Vertrauens"-, Amts-, Werks- und Anstaltsärzten) in Kontakt gewesen sind, haben schlechte Erfahrungen dabei gemacht, haben erfahren, wie Patienten erniedrigt (per Diagnose etikettiert, entmündigt), verwundet (operiert, gespritzt, geschockt, amputiert, mit Tabletten traktiert) oder getötet ("Kunst"fehler, unterlassene Hilfeleistung etc.) werden, häufig allein aus "wissenschaftlichem" Interesse.
Wenn man Angst hat, ist man wachsam und fällt einem Anschlag weniger leicht zum Opfer. Wenn man Angst hat, ist man wachsam und fällt einem Anschlag weniger leicht zum Opfer.
Leider macht diese Angst die amerikanischen Soldaten auch viel schießfreudiger; sie schießen lieber, als Fragen zu stellen.

Die Angst der Herrschenden (also deren Verfolgungs"wahn") ist die durchaus realitätsadäquate Reaktion auf die schlummernde und ständig mit Gewalt niedergehaltene Macht einer kollektiv und solidarisch handelnden Bevölkerung; denn die Angst der Herrschenden, "ihre tausendfache Angst wird tausendfach bewacht". –

Daß die deutsche Polizei bei ihren paranoid-hysterischen Verfolgungsmaßnahmen gegen Kranke rücksichtslos und mit "Erfolg" von der Schußwaffe Gebrauch macht, ist gerade in der jüngsten Vergangenheit offenbar geworden: Benno Ohnesorg, Georg v. Rauch – Berlin; Petra Schelm – Hamburg; Thomas Weisbecker – Augsburg; Richard Epple – Tübingen; Jan McLeod – Stuttgart; R. Schreck (Ostern 1968), Alois Rammelmeier, Ingrid Reppel – München; Mopedfahrer, Autofahrer, sogenannte Kriminelle; kaltblütige Erschießung von Geiseln und palästinensischen Befreiungskämpfern bei der Olympiade 1972 in München.

Jeder Rekrut wird ermutigt, Fragen zu stellen, wie lächerlich die auch klingen mögen. Die Diskussion auf Zellenebene ist wahrscheinlich die klügste und wirksamste Lehrmethode im pädagogischen Arsenal des Vietkong. Die meisten Rekruten haben noch nie in ihrem Leben vor einer großen Gruppe von Menschen gesprochen; deshalb sind sie schüchtern. Sie kommen zum größten Teil aus allereinfachstem Milieu, haben ein niedriges kulturelles und politisches Niveau, so daß sie sich aus Angst vor einer Blamage nur ungern vor einer großen Gruppe von Menschen äußern. Aber es ist für sie viel einfacher, ihre Meinung in einer Gruppe von 3 Menschen zu äußern, vor allem, wenn die beiden anderen Tag und Nacht mit ihnen zusammenarbeiten. Sobald der Neuling sich in der Diskussion in seiner Zelle einigermaßen sicher fühlt, fängt er an, in seiner Gruppe leichter mitzusprechen. Danach muß er in seinem Zug seinen Standpunkt verteidigen, um schließlich vor ca. 300 bis 400 Schülern seine Ansichten auseinanderzusetzen. In der Einzelagitation geht es in erster Linie um die Schwierigkeiten, um die Symptome eines Patienten, wie lächerlich diese ihm auch erscheinen mögen, oder wie schuldhaft er seine Konflikte auch verarbeiten mag. In der Einzelagitation erfahren die Beteiligten aber auch gemeinsam die gesellschaftliche Bedingheit speziell der Probleme, um die es gerade geht, ebenso wie die gesellschaftliche Bestimmung von Krankheit überhaupt. Die Hemmung, auch bezüglich einer verbalen Äußerung, wird erkannt und zugunsten der Freisetzung des in der Krankheit enthaltenen Protests abgebaut.
In den Agitationsgruppen und wissenschaftlichen Arbeitskreisen schließlich verschwindet nach und nach die Angst vor einer Blamage.
Schließlich gewinnen immer mehr Patienten die Fähigkeit, sich etwa vor Hunderten von Teach-in-Teilnehmern zu äußern oder z.B. gegenüber Exponenten der Universität (Rektor, Senatoren etc.) mit entsprechendem Nachdruck aufzutreten, was diese wiederum nicht begreifen können oder wollen und hilflos mit Bemerkungen abzuwehren versuchen wie: "Sie gehören ja gar nicht von Anfang an dazu und haben überhaupt keine Ahnung." (Rektor Rendtorff) "Unsere Patienten sind ganz anders, Sie aber können doch reden und schlagfertig sind Sie auch." (v. Baeyer); oder schlicht "Verbrecherbande" (Leferenz).
Sorgfältig wird darauf geachtet, daß der betreffende Rekrut nicht gedemütigt wird; wer einen anderen auslacht, wird bestraft; und nicht derjenige, der einen Fehler macht. Reaktionen eines bestimmten Patienten, wie abfälliges Grinsen oder absichtliches Nichteingehen auf das Verhalten oder Äußerungen eines anderen, werden ebenso zum Gegenstand der Gruppenagitation gemacht, wie das Verhalten und die Äußerungen des betroffenen Gruppenteilnehmers.
Zur Lernmethode gehört auch, daß der Instrukteur stets beide Seiten einer Sache auseinanderlegt; sowohl den Standpunkt der Befreiungsfront als auch den des Feindes. Der Instrukteur "immunisiert" die Rekruten gegen alle feindlichen Argumente, mit denen sie später möglicherweise konfrontiert werden. Indem die Argumente des Feindes zusammengetragen, analysiert und durch die Rekruten selbst (mit Unterstützung des Instrukteurs) widerlegt werden, entwickeln diese eine Einstellung, aus der heraus Gegenargumente automatisch zurückgewiesen werden, was letzten Endes dazu führt, daß jedes Argument, das gegen jede beliebige Auffassung des Vietkong angeführt wird, von der Hand gewiesen wird. Diese Methode ist in den meisten Fällen sehr fruchtbar, und die Rekruten werden dann auch so dogmatisch, daß sie kein einziges Argument gegen die Doktrin ihrer Ideologie mehr akzeptieren, wie überzeugend oder vernünftig die Gegenargumente auch sein mögen. In ihrer täglichen agitatorischen Praxis haben die Patienten mit Marx und Hegel gelernt, daß jede Sache zwei Seiten hat: eine progressive und eine reaktionäre. Sie haben aber auch erfahren, daß das gesellschaftliche Sein der Menschen ihr Bewußtsein bestimmt, und daß bei jedem Argument immer zu fragen ist, welchen gesellschaftlichen Interessen oder Bedürfnissen es dienen soll, und daß der anerzogene sogenannte gesunde Menschenverstand in der Regel im Interesse der Herrschenden gegen die eigenen Bedürfnisse funktioniert. Durch diese Erfahrungen sind sie hochgradig sensibel geworden gegenüber sogenannten vernünftigen Gegenargumenten. Unsere Politik war stets so geartet, daß sich in der Auseinandersetzung mit der Gegenseite die Machtfrage von selbst stellte, d.h. daß scheinbar vernünftige Vorschläge unserer Gegner sehr schnell als Erpressungsversuche und Schachzüge innerhalb der Vernichtungsstrategie derer entlarvt werden konnten, die das Machtmonopol für sich beanspruchen. So konnte auch eine hochgradige Immunisierung der Patienten gegen die plumpen Korruptionsversuche der Exponenten der herrschenden Vernichtungsideologie und Todesökonomie erreicht werden.
Ein anderer Punkt in der politischen und ideologischen Vorbereitung der Soldaten auf den Kampf ist vielleicht der Ungewöhnlichste. Wenn ein Gefechtsplan aufgestellt und erörtert wird, fordern die Kader die Soldaten auf, Vorschläge für die Verbesserung des Angriffsplans und die Vergrößerung der Gewinnchancen zu machen. Man kann sich bei uns kaum vorstellen, daß ein Offizier einen einfachen Soldaten mitsprechen und mitbeschließen läßt bei der strategischen und taktischen Planung eines Feldzugs. Aber diese Methode erfüllt beim Vietkong einen sorgfältig berechneten Zweck. Sie stimmt überein mit dem Dogma des Vietkong, daß alle Menschen gleich sind ohne Rücksicht auf Rang oder Stand.

Ungewöhnlich, unvorstellbar, "unverantwortlich" mußte den ärztlichen Gegnern des SPK die Sozialisierung der Therapie erscheinen. Man darf es hierzulande nicht zulassen, daß die Patienten ihre Therapie selbst bestimmen und gestalten. Wohlbehütete Profitinteressen, ja sogar die Gesamtheit der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse wird dadurch in Frage gestellt und bedroht. Also sind sozialistische Patienten "Wildwuchs, der nicht länger geduldet werden kann und schleunigst mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beseitigt werden muß". (Kultusminister Hahn, 9.11.1970)

Polizeiüberfälle und Verhaftungen erfolgten auftragsgemäß ein gutes halbes Jahr später. Diese Methode stimmt überein mit dem Dogma der Kapitalagenten, daß es Ausgebeutete und Ausbeuter geben muß ohne Rücksicht auf Menschenverluste bis in alle Ewigkeit – Amen.

Die politische Ideologie der revolutionären Befreiungsfront, eine einzigartige Mischung aus politischer Philosophie und Erfahrungen aus der Literatur verschiedener Nationen, wurde allmählich als Ersatz für die Religion des Volkes benutzt. Die politische Praxis des SPK, die durch die Bedürfnisse der Patienten bestimmt war, und in die Erkenntnisse von Hegel, Marx, Reich und vielen anderen eingegangen sind, war für die Patienten eine Aufhebung ihrer systematischen Verdummung durch die Ideologie und Rationalität des Kapitals.