Februar 2010
1995: 25 Jahre SPK - Gründe und Folgen
Selten geschieht Auffälliges in Kliniken und Krankenhäusern. Sprunghafte Veränderungen, Mutationen, Veränderungen des Erbguts bleiben unauffällig, solange sie nicht als vollendete Tatsachen auf dem Markt erscheinen. Das Nachsehen hat der Verbraucher, aber auch die öffentliche Berichterstattung und auch die universitären Ehrungen haben das Nachsehen, wenn nicht eine unabhängige Studentenzeitung, wie zum Beispiel der ruprecht * dem allem zuvorkommt.
* an Studenten "verschenkte"
(11.000 Stück) Zeitung in Heidelberg. Viele Geschäftsleute aus Heidelberg und
Umgebung machen darin Reklame. Die ruprecht-Redaktion läßt außer Inseraten
keinerlei Artikel Außenstehender zur Veröffentlichung zu. Zur zweifellos auch
iron. gemeinten einleitenden Anspielung vgl. auch Schlußteil (d. Hrsg.).
Die Zeitung ruprecht hat ihre Leser um das hier wiedergegebene Vorwort geprellt.
Dieser Tage jährt sich zum 25. Mal die
Gründung des S
o z i a l i s t i s c h e n P a t i e n t e n -
k o l l e k t i v an der
Universität Heidelberg. Das SPK als solches blieb seitdem und im Ganzen
unauffällig. Bis heute wollte und will die Universität Heidelberg mit dem
Sozialistischen Patientenkollektiv nichts zu tun gehabt haben und selbst der
Sondergerichtshof in Karlsruhe hat 1972 das SPK als Ganzes ausdrücklich noch
nicht einmal des in vergleichbaren Fällen üblichen Organisationsverbots für
würdig befunden. Jeder "objektive" Versuch, das
SPK nach Sache und Geschichte
aufzuarbeiten, ist auch nach Selbstzeugnis der jeweiligen AutorInnen rundweg
gescheitert, weil über Vermutungen nie hinausgelangt. Auch Leser dieses Beitrags
werden sich um eine abschließende Beurteilung vergeblich bemühen, einfach
deshalb, weil das SPK seine
Weiterentwicklung in der
Patientenfront noch längst nicht abgeschlossen hat.
Sozialistisches Patientenkollektiv und Patientenfront: der Bestandteil Patient in diesen beiden Wortbildungen macht es heute möglich, sich dem Thema anzunähern, hätte es damals schon möglich gemacht. Es ist eben gut vorgesorgt in dieser Gesellschaft, daß Wesentliches unauffällig bleibt, nicht nur hinter den Mauern von Kliniken und Krankenhäusern, wie eingangs bemerkt. Es soll ja vorkommen, daß dorthin nicht nur die Krankheit verschwindet, sondern auch die Patienten, die dann, zumindest dem Anspruch nach, ohne Krankheit, d.h. "geheilt" und "gesund" wiedererscheinen, oder auch überhaupt nicht mehr. Anders das SPK. In der öffentlichen Berichterstattung ist es samt Krankheit damals in der erklärtermaßen patientenfreien RAF** verschwunden und im erklärtermaßen patientenfreien IZRU*** und wo sonst noch überall, außer in der Patientenfront. Wer die Krankheit und den Patientenstatus als den Weizen betrachtet, wird im Rückblick auf das letzte Vierteljahrhundert unschwer nachvollziehen können, daß und wie sich die Spreu vom Weizen gesondert hat. Endgültig zum Abschluß gekommen ist dieser Vorgang erst in den letzten Jahren. Bis dahin hat sich die Patientenfront allein an das im SPK vereinbarte Schweigen gehalten (Totale Aussageverweigerung, TAV) und Fälschung und Verrat an Wesen und Geschichte des SPK reaktionslos hingenommen, bis sich die Spreu vom Weizen völlig gesondert hatte. Auch wer beim SPK dabei war, kann seine lebensgeschichtlichen Erinnerungen nunmehr umso freier und ungezwungener äußern, als die Patientenfront auch zur Vorgeschichte, zum Anfangen und zu den realen Folgewirkungen des SPK ihre und seine Materialien und Beweise zur Verfügung hat und, was die Hauptsache ist, auch exzessiv anwendet, zumal und insbesondere die Interna betreffend.
** Rote
Armee Fraktion / Baader-Meinhof
***
InformationsZentrum Rote VolksUniversität an der Universität Heidelberg 1971 -
1973
Wer die Wurzeln des SPK suchen will, muß mindestens bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen. Erste medizinische Strategien, dem Problem einer Weltübervölkerung, das es damals nicht gab und bis heute nicht gibt, fabrikmäßig beizukommen, sind damals als Malthusianismus, Darwinismus und unter manch anderer Sprachregelung nach außen gedrungen. Bis 1970 waren im Zug dieser ersten Planspiele außer etlichen 120 Jahren in der Sache kaum Neuerungen zu dieser Wahnidee* als solcher hinzugekommen. Auch an der Universität Heidelberg war das "Übervölkerungsproblem" so unauffällig wie der Patientenstatus, wie das spätere SPK, wie ein Huber, denn es war nicht auffällig, sondern höchstens vernünftig, daß die Bevölkerung draußen blieb, solange die Klinik voll war und infolgedessen auch die Kassenabrechnungen stimmten. In dieser Form war ein Übervölkerungsproblem auch an der Universität Heidelberg anzutreffen, allerdings. In der Folge war es dann die Universität Heidelberg, die dieses, ihr Übervölkerungsproblem mäßig elegant, weil erst nach zwei Anläufen zu lösen wußte und zwar durch den Hinauswurf eines von ihr mit schlappen 180 Personen bezifferten Weltbevölkerungsüberschusses aus dem Klinikum, später durch den mit 500 bezifferten Hinauswurf eines weiteren Kontingents, auffällig geworden nicht als Patienten, sondern als "Wildwuchs" (botan.: Unkraut) aus den Universitätsräumen in der Rohrbacherstraße 12. Das SPK hat also weder angefangen noch geendet mit irgendwelchen Krankheitssachen oder Hubereien, sondern mit einem Übervölkerungsproblem, bestehend aus einer Minderheit, bekämpft durch eine einzige, aber seit mehr als 100 Jahren so unauffällige wie hochaufgeladene medizinale Wahnidee, der Wahnidee nämlich, daß die Menschheit an sich selbst zugrunde gehe wegen Übervölkerung. Merke: schon einer zuviel kann das Heidelberger Faß zum Überlaufen bringen, um wieviel mehr dann erst 500.
* alle zusammen, die gesamte derzeitige Weltbevölkerung, so um die 6 Milliarden, nach Texas verfrachtet, bleiben für jeden hundert (100)m2 Bodenfläche, und da kämen dann noch die Hoch-Tiefbau-Möglichkeiten hinzu, kurz: Raum für alle hat die Erde (hätte sie, wenn nicht..., s.o., usw.,usw.,usw.).
Es ist hier ausdrücklich einzuräumen, daß die Widmung über dem Hauptportal der Heidelberger Universität "Dem lebendigen Geist" ausdrücklich auf G.W.F. Hegel zurückgeht, dortselbst bestallter Beamter im 19. Jahrhundert, wenn auch nur zwei Jahre lang. Immerhin hat eben dieser Hegel einen bildungsfähigen lebendigen Geist ausdrücklich sogar den Buschnegern im tiefsten Afrika Jahre später noch zugebilligt, als und obwohl er schon preußischer Staatsphilosoph geworden war. Demzufolge darf heute, 25 Jahre nach dem SPK, gefragt werden, ob diese Universität ihren Leitspruch damals nur deshalb hat vergessen können, weil sie ihn noch nie gelernt hat, nie wird lernen können und folglich an ihrem eigenen Begriff längst zugrunde gegangen ist, ganz wie sich das ja für alles so gehört, was seinem Begriff nicht entspricht, nicht nur nach Hegel, sondern überhaupt. Wo Unkraut wächst ("Wildwuchs"), ist auch nach Hegel kein "lebendiger Geist" zu vermuten. Stark angewachsen ist inzwischen vor allem das Klinikum der Universität Heidelberg auf dem Neuenheimer Feld. Aber schon das SPK hatte seinen Hegel gelernt. In später so genannten geheimen Zirkeln, aber auch in den öffentlichen Arbeitskreisen, blieb dies nicht ohne Rückwirkung auf die Außenwelt, und es lebt noch heute fort in der Patientenfront, das SPK. Es scheint also, ganz im Gegensatz zur Universität Heidelberg, seinem Begriff zu entsprechen, nämlich dem Krankheitsbegriff, nämlich dem lebendigen Geist, der im Gegensatz zur toten Universität, ebenfalls nach Hegel, kein angeborener Todeskeim ist, sondern Leben, das den ihm aufgezwungenen Mangel wo anders nicht möglich noch als Krankheit überwindet, folglich ihn zu überwinden auf jeden Fall und unter allen Umständen, und in alle Zukunft zu überwinden imstand ist.
Das SPK hat in den anderthalb Jahren seines Bestehens jeden Ansatz einer Übervölkerung stürmisch begrüßt. Seine Antworten auf Mangel an Raum, Mangel an Zeit, Mangel an Therapie sind heute volksliedhaft: Einzelagitation, Gruppenagitation, Arbeitskreise statt Arzt, Therapie, Medikament.
Inzwischen ringt die Welt verzweifelt mit dem Tod, nicht mit dem eigenen, sondern mit dem Übervölkerungsproblem vor allem durch die Patienten. Heidelbergstämmige Philosophieprofessoren, bald nach Ende des SPK nach Westberlin emigriert, votieren öffentlich für den Gnadentod aus Ärztehand, für denselben Gnadentod aus Ärztehand, der auch in manchen Überseestaaten schon Gesetz geworden ist. "Wie gut, daß wir noch Gerichte haben", sprach schon der Alte Fritz von Preußen, obwohl und nachdem er den Prozeß gegen den Müller von Sanssouci (Nachtruhestörung im Nachtwächterstaat!!) verloren hatte. Wie gut, daß es Krankheit im Recht gibt und die Patientenfront, sagt mancher Betroffene heute, der weder Philosophieprofessor ist, noch sonst irgend Grund glaubt mehr zu haben, für die Ärzteklasse zu votieren.
Wer 25 Jahre nach seiner Gründung das SPK immer noch nicht wird preisen können, wird absehbar noch lange hin erst recht keinen Grund haben es zu begraben, und sei es als toten Hund. Am allerwenigsten wird dies vielleicht die Universität Heidelberg je können, oder irgend eine andere Universität, vorausgesetzt sie begibt sich auf die Suche nach dem "lebendigen Geist", der da und dort und heutigentags mit Sicherheit einfach überhaupt nicht drin ist, es sei denn in der Menschengattung und nur kraft Krankheit unterwegs zu ihr. Wegzehrung dennoch auch für ruprecht-Studenten, weil so wohlbekömmlich wie schwerverdaulich noch allemal.
Fluch ruprecht! Fluch auch der letzten Protoschnüffelkrake Bertram Eisenhauer!
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Kennwort: SPK
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